Der österreichische Staatschef Kurz und der israelische Premierminister Netanjahu verstehen sich blendend  

Juli 6, 2018 – 23 Tammuz 5778
Bundeskanzler Kurz zu Besuch in Israel

Von Sandro Serafin

Benjamin Netanjahu ist ein Politiker mit Ecken und Kanten, das, was man im Englischen einen „leader“ nennen würde: ein Mann mit klarer Linie. Konflikte meiden und großräumig „umschiffen“? Kommt für ihn häufig nicht infrage. Unvergessen, wie er 2017 den damaligen deutschen Außenminister Sigmar Gabriel auslud, weil dieser sich während eines Besuches in Israel mit umstrittenen „Menschenrechtsorganisationen“ treffen wollte.

Doch der Likud-Chef ist auch ein Politiker, der überschwänglich loben kann. „True friend of Israel“ – wahrer Freund Israels – gehört wohl zu seinen liebsten englischen Bezeichnungen, wenn er mal wieder einen ausländischen Politiker zu Gast hat, den er auf seine Seite ziehen will. Sogar Angela Merkel kann sich mit diesem Prädikat Netanjahus schmücken, obwohl es zwischen den beiden Staatenlenkern teils massive Differenzen gibt.

Nun ist auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz in den Genuss dieser wohlklingenden Beschreibung gekommen. Der jüngste Regierungschef Europas war am Samstag zu einem dreitägigen Aufenthalt in Israel ohne Besuch der „palästinensischen“ Gebiete gelandet. Seine Mission: Vertrauen zwischen den beiden Regierungen herzustellen.

Israelisches Misstrauen gegenüber FPÖ
Denn seitdem Kurz‘ Österreichische Volkspartei (ÖVP) im Dezember in eine Regierung mit der rechtskonservativen Freiheitlichen Partei (FPÖ) eingetreten ist, blickt man im jüdischen Staat mit einem kritischen Auge nach Wien. Bereits als die Freiheitlichen zur Jahrtausendwende erstmals Teil der Regierung wurden, zog Jerusalem seinen Botschafter ab. Mit Entsetzen hatten Israelis verschiedene Äußerungen der damaligen FPÖ-Führungsfigur Jörg Haider, etwa zur „ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“, zur Kenntnis genommen.

Und als die FPÖ nun, 17 Jahre später, erneut Regierungspartei wurde, beeilte sich Israel klarzustellen, dass es mit FPÖ-Ministerien erst einmal nur auf Beamtenebene Kontakt pflegen werde. Eine Belastung für die Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Schließlich ist von diesem Boykott sogar das Außenministerium betroffen, das Nahost-Expertin Karin Kneissl (parteilos) dank einer FPÖ-Nominierung leiten darf.

Besuch an der Klagemauer
Inzwischen jedoch ist von israelischer Verärgerung über Kurz‘ Kooperation mit den Freiheitlichen nicht mehr viel zu spüren. Im Gegenteil: Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag kam das Thema überhaupt nicht explizit zur Sprache. Stattdessen bemühte sich Netanjahu, „Sebastian“, wie er den österreichischen Kanzler beim Vornamen nannte, mit Nachdruck zu loben. Kurz sei ein „wahrer Freund Israels und des jüdischen Volkes“.

Da hatte der ÖVP-Politiker bereits nicht nur die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht – Pflicht für einen europäischen Politiker –, sondern auch der Klagemauer einen Besuch abgestattet und sich dabei von zahlreichen Kameras begleiten lassen. Ein außergewöhnliches Verhalten, meiden westliche Politiker den 1980 von Israel annektierten Osten Jerusalems doch eigentlich, um nicht, wie sie sagen, den Ergebnissen möglicher Friedensverhandlungen vorzugreifen. (…)

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke