Von Reinhard Liam Rickertsen
Berlin BaOmer – so lautete das Motto unter dem fast alle Synagogen und einige Institutionen vereint unter dem Dach der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zu einer großen Lag BaOmer-Party eingeladen hatten. Auf dem Gelände der Jüdischen Altenwohnanlage in der Berliner Dernburgstraße gab es ein großes Fest zu dem im Laufe des Nachmittags und Abends etwa vier- bis fünfhundert Gäste erschienen.
Erstmals hatten sich Synagogen, das Jugendzentrum Olam, das American Jewish Joint Distribution Commitee und der Minjan L’dor wa dor zusammengefunden, um eine solch große Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Die breite Palette des gelebten Judentums von Berlin war von orthodox bis reform-egalitär vertreten. Zahlreiche Planungsbesprechungen führten dank des tatkräftigen Einsatzes von Rabbiner Boris Ronis, der die Arbeit leitete und koordinierte, und vielen anderen zu einer Veranstaltung, die sich sehen lassen konnte und die es in der Form und Größe in Berlin noch nicht gegeben hat.
Natürlich gab es ein Medurah (Lagerfeuer), natürlich wurde gegrillt, natürlich gab es für Kinder Spiele, Bastelstraße und eine Hüpfburg, natürlich gab es Live-Auftritte und israelische Folklore, natürlich wurden Groß und Klein mit Getränken versorgt.
Der Gemeindevorsitzende, Dr. Gideon Joffe, eröffnete zusammen mit Rabbiner Boris Ronis offiziell das Fest. Auch er hob die bisherige Einmaligkeit des Zusammenschlusses des Berliner Judentums bei diesem Fest hervor. Er erinnerte daran, dass das diesjährige Lag BaOmer auf den Tag genau mit dem 69. Jahrestag der Staatsgründung Israels am 14. Mai. 1948 zusammenfällt. Er erinnerte auch daran, dass seit diesem Tage für uns Juden ein Zufluchtsort besteht, ein Staat der uns auffängt und aufnimmt, wenn unsere Existenz bedroht ist und in Gefahr gerät.
Die aufgebauten Stände wurden von vielen fleißigen Helfern aller Gemeinden und von den jungen Leuten des Jugendzentrums Olam betreut. Trotz vieler Helfer bildeten sich an den Ständen lange Schlangen. Besonders guten Anklang fanden die Live-Musik, die israelische Folklore, die Tanzdarbietungen des JZ Olam sowie der Jugend-Synagogenchor der Synagoge Pestalozzistraße.
Hinterfragte man jedoch Einzelne nach dem Anlass des Festes, so mussten viele passen. In der Tat ist es auch so, dass es einige Anlässe gibt, die dem Lag BaOmer-Tag zugeschrieben werden. Zunächst einmal zum Datum: Lag BaOmer ist der 33. Tag des Omerzählens zwischen Pessach und Schawuot. Lag setzt sich zusammen aus dem Zahlwert der hebräischen Buchstaben Lamed = 30 und Gimel = 3, also 33. Eine beliebte Methode, Daten darzustellen und als Abkürzung auszusprechen; z. B. auch Tu Bischwat zusammengesetzt aus Tet = 9 und Waw = 6; also der fünfzehnte Tag des Monats Schwat.
Die 50 Omertage gelten als Trauertage, nur der 33. Tag (Lag BaOmer) ragt heraus in dieser Trauerzeit. Es wird daran erinnert, dass an diesem Tage die Seuche endete, die 24.000 Schüler Rabbi Akiwas dahinraffte; es wird auch daran erinnert, dass der niedergeschlagene Bar-Kochba-Aufstand schließlich zur Zerstreuung der Juden in die Diaspora führte.
Gleichwohl sind an diesem Tage Aktivitäten gestattet, die sonst in der Omerzeit zu unterlassen sind: So darf man sich wieder einmal die Haare schneiden lassen und auch das Heiraten ist erlaubt.
Zeitweilig schien das relativ kleine Gelände aus allen Nähten zu platzen. Trotzdem gab es zum Glück keinen Grund für Polizei oder die Sicherheitsbeamten zu irgendeiner Zeit einzuschreiten. Es herrschte ein fast babylonisch anmutendes Sprachgemisch. Neben Deutsch hörte man Russisch, Hebräisch, Polnisch, Ungarisch, Tschechisch usw. Auch viele Bewohner des Altenheimes hatten den Weg zum Lagerfeuer und in die Pavillons gefunden und saßen lange in kleinen Gruppen zusammen mit den Besuchern.
Im Getümmel wurden gesichtet: Rabbinerin Gesa Ederberg, Rabbiner Jonah Sievers, Mirjam Rosengarten, Nina Peretz, Avishag Weidner, Sigrid Wolf, Jonathan Marcus, Boris Moshkovitz, Emanuel Adiniaev und viele mehr. Alles in allem war das Fest ein voller Erfolg, ein wahrhaft jüdisches Fest, a bissl laut, a bissl chaotisch, aber scheen, scheen war es allemal, denn geprägt von Chessed und Kavanah (Gastfreundschaft und ein gewisser andächtiger Geist) waren sich die Teilnehmer einig: Ein solches Fest soll und muss es im nächsten Jahr wieder geben. Trotz aller ideologischen und theologischen Unterschiede stellte sich hier die Berliner Jüdische Gemeinde als große Gemeinschaft dar.
Der Autor ist Vorsitzender der Gemeinde Sukkat Schalom
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