Wie die ARD 3.000 Jahre jüdische Geschichte verschweigt  

November 3, 2016 – 2 Heshvan 5777
Antisiedlerismus

Von Christian Mallas (tapfer im nirgendwo)

Vor ein paar Tagen bin ich aufmerksam geworden auf den Film „Die Siedler der Westbank“, der auf arte und ARD gezeigt wurde und für den neben arte France und YES Israel auch die deutschen Öffentlich-Rechtlichen NDR, BR und HR als Koproduzenten verantwortlich zeichnen, und habe ihn mir in der Mediathek angeschaut. Da werden Juden im deutschen Fernsehen als „Krebs“ und als „Geschwür“ bezeichnet.

Bei Minute 17:17 wird Jitzchak Rabin mit „Gush Emonim ist wie Krebs im gesellschaftlich-demokratischen Gewebe des Staates Israel“ zitiert, was durch den Rahmen des Films mit sämtlichen jüdischen Bewohnern Judäas und Samarias assoziiert wird und erst recht im Rahmen der deutschen Zielgruppe ein Geschmäckle bekommt; sowie „Geschwür der Siedlungen“ durch den palästinensisch-arabischen „Menschenrechtsaktivisten“ Raja Shehadeh bei Minute 48:08.

Der Judenhass im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen schreckt also mittlerweile nicht einmal mehr davor zurück, offen und unverblümt gegen Juden zu hetzen und sich dabei sogar solcher Wörter zu bedienen, mit denen auch die Schoah vorbereitet wurde. Ich bin entsetzt und wütend.

Der Film unterstellt unterschwellig, dass es von Natur aus Orte auf der Erde gebe, an denen keine Juden leben dürfen, die also in der Sprache der Nationalsozialisten „judenrein“ bleiben oder gemacht werden müssten. Dass in dem Film zwischen „guten Juden“ und bösen „Siedlern“ unterschieden wird, ändert an dem antisemitischen und hetzerischen Charakter des Films ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Regisseur selbst israelischer Jude ist. Im Gegenteil zeugt die Wahl eines israelisch-jüdischen Regisseurs von der hohen Professionalität dieser neuen, alten antijüdischen Agitation.

Einerseits muss den Produzenten und Sponsoren bereits im Vorfeld bewusst gewesen sein, dass der Film oder Teile davon zu Recht als antisemitisch kritisiert werden können. Zu Recht, weil der Film gezielt Lügen und Gerüchte über Juden und über den jüdischen Staat verbreitet, weil er zweierlei Maß an jüdische und nichtjüdische Siedlungen, an antijüdische und antiarabische Gewaltverbrechen anlegt und weil er Juden, weil sie Juden sind, dämonisiert, indem er eine fanatische Minderheit als repräsentativ für „die“ Siedlerbewegung darstellt und indem er Filmsequenzen und Interviews auf eine sehr manipulative Weise zusammenschneidet. Er verzichtet auf einfachste Recherche über die behaupteten Eigentumsverhältnisse von Grundstücken, zum Beispiel durch eine simple Frage nach einer Kopie einer etwaigen Besitzurkunde. Der Besitzanspruch palästinensischer Araber wird ungeprüft als Wahrheit hingestellt und der Besitzanspruch jüdischer Israelis wird durch religiöse Bezüge lächerlich gemacht. Weil die Produzenten diese Kritik weder entkräften können noch zur Einsicht und Abkehr von ihrem Hass bereit sind, lassen sie einen Vorzeigejuden und jüdisch-israelischen Kronzeugen gegen die jüdisch-israelischen „Siedler“ Regie führen. Diese strategische Wahl erfüllt die gleiche Funktion wie der klassische Disclaimer notorischer Judenhetzer „Ich habe ja nichts gegen Juden, im Gegenteil: Einige meiner besten Freunde sind Juden. Aber…“ man werde doch wohl noch Juden als „Geschwür“ bezeichnen dürfen, ohne gleich in die antisemitische Ecke gestellt zu werden.

Anscheinend leider ja. Um rhetorisch zurückfragen zu können, wie ein Film denn antisemitisch sein könne, wo doch der Regisseur selbst Jude sei. Andererseits ist es nicht nur pragmatisch, sondern perfide und manisch-perfektionistisch, dass die Deutschen sich nicht einfach mit der Vertreibung der Juden aus Judäa und Samaria (wenn nicht gleich aus ganz Israel) abfinden wollen. Sondern sie bestehen darauf, dass die Juden ihnen dabei helfen, dass Juden die antijüdische, ethnische Säuberung von Judäa und Samaria selbst organisieren und sie sogar selbst gutheißen und einfordern, so wie 2005 die ethnische Säuberung des Gazastreifens (von seinen jüdischen Bewohnern).

Seit 2005 ist der Gazastreifen u.a. „dank“ dem Druck der internationalen Staatengemeinschaft „judenrein“. Zu Frieden hat diese ethnische Säuberung nicht geführt – im Gegenteil: Mehr als 10.000 Raketen wurden seither aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen.
Bereits der erste Satz des Arte-Klappentextes ist eine faustdicke Lüge:

„Die jüdische Besiedlung des Westjordanlands begann vor knapp 50 Jahren und hat heute ungeahnte Ausmaße angenommen.“

Der Film und erst recht der Klappentext lügen die Geschichte um, indem sie suggerieren bzw. behaupten, Judäa und Samaria seien erst ab 1967 von Juden besiedelt worden. Zwar lässt der Film Pioniere zu Wort kommen, die auf das antike Königreich Israel verweisen, aber die Tatsache, dass Judäa und Samaria auch in den zwei Jahrtausenden zwischen der Vertreibung der Juden in die Diaspora durch das Römische Reich nach dem Jahr 70 u.Z. und der Neubesiedlung ab 1967 praktisch durchgängig von einer Reihe jüdischer Gemeinden bewohnt war. In Hebron war bis zu ihrer Evakuierung 1936 in der Folge der antijüdischen Pogrome ab 1929 über 3.000 Jahre lang eine jüdische Gemeinde beheimatet. Dies wird dem Publikum bewusst verschwiegen. Ein bewusstes Verschweigen ist sogar noch schlimmer als eine explizite Lüge, weil es unterschwellig ist und nicht explizit widerlegt werden kann.

Ein Nebenwiderspruch? Nein, diese Geschichtsfälschung ist Kernbestandteil dieses Films, wie der Titel „Die Siedler der Westbank“ illustriert. (…)

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