Von einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Genie und Königin  

November 3, 2016 – 2 Heshvan 5777
Albert Einstein und Elisabeth von Belgien

Von Dr. Nikoline Hansen

Albert Einstein fasziniert noch immer. Schon zu Lebzeiten zum „symbolischen Leithammel mit Heiligenschein“ geworden, wie er selbst es beschreibt, steht er durch die frühzeitige Emigration für das Schicksal der Juden in Deutschland nach der nationalsozialistischen Machtergreifung. Dabei wirken sein Überleben und die Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeit in Princeton wie ein milderndes Licht auf die tatsächlichen Folgen, die jene Juden trafen, denen weder Berühmtheit noch Freunde oder Verwandte zu Hilfe kamen.

Das vorliegende Buch befasst sich mit einer spezifischen Seite des Physikers und Pazifisten Einstein: Der Freundschaft zu der aus Deutschland stammenden belgischen Königin Elisabeth. Die Idee ist spannend, zumal der zugrundeliegende Briefwechsel zeigt, dass diese Freundschaft auf einem soliden Fundament von Gemeinsamkeiten beruhte: Beide spielten Geige, man spielte gemeinsam im Duett oder Quartett und diese Liebe zur Musik verband beide besonders in der Zeit als Albert Einstein noch in Europa lebte und sie des Öfteren die Gelegenheit zu persönlichen Treffen fanden. Darüber hinaus teilten sie ihre Weltanschauung: Elisabeth war sozial sehr engagiert und gegen Ende ihres Lebens dem Sozialismus und Kommunismus zugeneigt, Einstein wurde vom FBI als Sicherheitsrisiko eingestuft und deshalb in den USA nicht an der Entwicklung der Atombombe beteiligt, der er prinzipiell nicht ablehnend gegenüberstand, da er Angst hatte, dass den Deutschen die Fertigung einer derartigen Bombe zuerst gelingen könne.

Auch als Pazifist blieb er Realist, wie ein im Buch dokumentierter Brief vom 14. Juli 1933 an den belgischen König zeigt, in dem er darlegt, weshalb er sich nicht für die Freilassung von zwei belgischen Kriegsdienstverweigerern einsetzte. Als Kompromiss schlug er vor, den Dienst an der Waffe durch andere gefährliche Arbeiten zu ersetzen, um sicherzugehen, dass die Verweigerung tatsächlich aus Gewissensgründen erfolgte.

Noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden späteren Brieffreunden spürt die Autorin auf: das Bedürfnis, den verfolgten Juden zu helfen. Albert Einstein tat dies aus der persönlichen Betroffenheit heraus, die sich aus dem Verhalten der Juden ergab, die insbesondere in akademischen Kreisen diskriminiert wurden: „Ich sah die würdelose Mimikry wertvoller Juden, daß mir das Herz bei diesem Anblick blutete.“ Die Autorin Rosine de Dijn zitiert den Biograph Albrecht Fölsing: „Jüdisch war für ihn keine Konfession, in die man ein- oder austreten konnte, sondern eine Schicksalsgemeinschaft, u.a. getragen von einem rastlosen Streben nach Erkenntnis und von einer grenzenlosen Liebe zur Gerechtigkeit.“

Sehr euphemistisch wirkt allerdings die Schilderung der Gegenwart, nachdem die „quirlige Welt der Juden, im Schatten der Synagoge an der Oranienburger Straße“ „gezielt zerstört“ worden war: „Die DDR ließ es sich aber nicht nehmen, 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins der Synagoge mit ihrer wunderbaren goldenen Kuppel neuen Glanz zu verleihen. Heute wächst in der Oranienburger Straße und ihrer Umgebung wieder jüdisches Leben. Das Szeneviertel mit Geschäften für koschere Lebensmittel, Gebetshäusern, Kultureinrichtungen, Cafés, Restaurants und Galerien erfreut sich inzwischen großer Beliebtheit.“ Das entspricht leider in dem hier angedeuteten Maßstab nicht der Realität. Auch glänzt zwar die Kuppel der Synagoge, das Innere dient jedoch vorrangig zu Ausstellungszwecken über Vergangenes.

Königin Elisabeth engagierte sich solange es ihr möglich war für die jüdischen Bürger Belgiens: „Sie setzte sich angelegentlich für die Juden ein. Sie erreichte, dass jüdische Belgier, also Juden mit einem belgischen Pass, nicht deportiert wurden, zunächst jedenfalls, solange der belgische Arbeitsmarkt angespannt blieb und die belgische Bevölkerung nicht unnötig verunsichert werden sollte. Im Sammellager von Mechelen waren Besuche erlaubt und die dort eingewiesenen jüdischen Familien durften nicht getrennt werden. Elisabeth besuchte Juden in den Krankenhäusern, zur Provokation der Deutschen trug sie eine Brosche in der Form eines Davidsterns“ (S. 150). Darüber hinaus half Königin Elisabeth Künstlern finanziell und intervenierte gegen Deportationen. Dies wird nur anhand eines Beispiels dokumentiert, de facto war sie jedoch eine entschiedene Gegnerin des Nationalsozialismus und konnte durch geschickte Verhandlungen vielen belgischen Juden und Kindern das Leben retten. Insofern stellt sich die Frage, woher die Autorin die Information mit der Brosche hat. Auch fehlt die Information, dass Elisabeth von Belgien bereits 1965 von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet wurde – ein sicherer Hinweis auf ihre Verdienste um die Rettung von Juden. (…)

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