Das ausgeklügelte Frühwarnsystem in jüdischen Dörfern  

Juni 2, 2016 – 25 Iyyar 5776
Alarm in Samaria

Von Chaya Tal

Vor etwa einem Jahr war ich bei einer Familie in der Siedlung Tal Menasche im Norden Samarias übers Wochenende eingeladen. Es war Freitagabend, wir versammelten uns alle um den Schabbat-Tisch und waren schon mitten im Abendessen, da erklang auf einmal eine Sirene und aus einem alten, scheinbar sinnlos im Flur liegenden Walkie-Talkie tönten Rauschen und Stimmen. Ich verstand nichts, sprang aber mit allen anderen auf. Einige Minuten später klopfte es auch an die Eingangstür, die Eltern fragten kurz nach und der älteste Sohn der Familie in voller Montur – Armee-Schutzweste, Helm und Gewehr – stand im Wohnzimmer. Ich war sprachlos – wann sieht man sonst einen Offizier in Armeekleidung und am Telefon mitten am traditionellen jüdischen Ruhetag in ein Wohnhaus hineinkommen. Was war geschehen?

Der Mann breitete währenddessen auf dem Esstisch eine Karte aus, bückte sich gemeinsam mit seiner festlich gekleideten Mutter über die Karte und begann, auf einige Straßen und Häuser zu zeigen. Sie unterhielten sich angeregt, holten dann eine Liste und ein weiteres Telefon hervor und begannen, Anrufe zu tätigen. Das alles wurde von Stimmen aus dem Walkie-Talkie begleitet.

Ich bekam schnell meine Erklärung für das Geschehen. Die Sirene, und auch die Ansagen über das Funkgerät bedeuteten Alarm – Verdacht auf unmittelbares Eindringen in die Siedlung. Der Sohn in Offizierskleidung war ehemaliger Offizier im Reservedienst und in der Siedlung der Einsatzleiter des zivilen Notrufkommandos, welches bei Verdacht auf terroristische Tätigkeiten für den Schutz der Bewohner verantwortlich ist, bevor Spezialkräfte zum Tatort gelangen und den Einsatz übernehmen können. Die Hausfrau war u.a. verantwortlich für einen Teil der Koordinierung der Kräfte innerhalb der Siedlung und hatte die Adressen und Daten aller relevanten Ansprechpartner.

Da ich zum Zeitpunkt des Geschehens selbst in der Armee war (aber nicht in einer Kampfeinheit), erklärte ich mich bereit, das Notrufkommando (alles Familienväter mit Armeeausrüstung) zu begleiten und bei einer Mutter mit Kindern in deren Haus Wache zu schieben, da sich diese nicht mit solchen Situationen auskannte und alleine mit den Kindern war. Auf den Straßen liefen Soldaten und die Einsatzleute umher, die Armee war schon angekommen und fahndete nach dem möglichen Eindringling. Im Haus der Frau schloss ich alle Fenster und Türen und blieb mit dem Kommando per Telefon in Verbindung, um zu wissen, wann der Einsatz vorbei wäre.

Das Ganze entpuppte sich nach etwa einer Dreiviertelstunde als ein Fehlalarm – ein Gastjunge hatte versehentlich an einer falschen Tür geklopft und war wohl danach geflüchtet, um nicht erkannt zu werden, und wurde so für einen Terroristen gehalten. Um 1 Uhr nachts war alles vorbei. Ich bekam an diesem Abend aber eine eindrucksvolle Demonstration der Bereitschaft aller Beteiligten und die Ernsthaftigkeit, mit welcher eine Gefahr für die Bewohner wahrgenommen worden ist.

Was bedeutet es, einen „Alarm in der Siedlung“ zu haben?
Schon mehrere Jahre ist es her, dass das Sicherheitskonzept der Vorwarnung für jüdische Einwohner in Judäa und Samaria durch Sirenen und Anrufe/mobile Nachrichten ausgearbeitet worden ist. Dieses System ist durch die Zusammenarbeit mit der Armee sowie mit der zivilen Verwaltung entstanden, um die Sicherheit in den Siedlungen zu erhöhen. Ein Alarm wird demnach ausgelöst, sobald eine Meldung von der Armee oder bei der Sicherheitszentrale in einem Ort beispielsweise über Kameras eingeht, die auf ein Eindringen von Terroristen in die Siedlung bzw. die Annäherung Verdächtiger an den Siedlungszaun hinweist. Ein solcher Alarm richtet sich an die Bewohner und der Code, der dabei durch zentrale Lautsprecher ausgerufen wird bzw. die Klangsequenz, die abgespielt wird, sind allen durchgehend bekannt. Die Anweisungen beim Hören der Sirene oder seit neuester Zeit auch nach dem Eingehen einer SMS mit entsprechendem Inhalt sind klar:

Alle Bewohner haben sich umgehend in ihre Häuser oder andere verschließbare Räume zu begeben, diese zu schließen, bei Abend- oder Nachtzeit das Licht auszuschalten und auf weitere Anweisungen zu warten. Bis auf Weiteres darf niemand das Haus verlassen, bis die Warnung aufgehoben wird. (...)

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke