Einschätzungen zum islamischen Terrorismus in der Nahost-Presse und in Deutschland  

August 5, 2016 – 1 Av 5776


Sing mir das Lied vom Märtyrertod





Von Michael Guttmann

Grundsätzlich verurteilen alle Staaten in der Region Anschläge und stellen mit aller Entschiedenheit fest, dass sie Terrorismusgegner sind. Soweit es sich um regierungsnahe Medien handelt, folgen Schuldzuweisungen einem einheitlichen Schema. Verantwortlich sind immer die anderen, die jeweiligen lokalen Feinde und der Westen.

Man kommt sich fast heimisch vor, wenn man diese Argumentationsweise mit den Wahrnehmungsschwierigkeiten der Linken oder der Grünen vergleicht. Der Unterschied besteht nur darin, dass die typische islamische Haltung traditionell immer die anderen, die deutschen „Grün-Linken“ immer das eigene Regime anprangern.

Der Vergleich mit den Moderaten und Oppositionellen im Orient fällt ganz anders aus. Erstens sehen sie die Ursachen des Terrorismus durchaus im eigenen Bildungswesen, der Religion, der archaischen Gesellschaftsstrukturen und der staatlichen Korruption. Den Westen prangern sie an, dass er den Terrorismus nicht konsequent bekämpft, aber eben auch nicht als dessen Verursacher.

Zweitens riskieren Gegner in diktatorischen Regimes ihr Leben. Deutsche Selbsthasser riskieren gar nichts, also dreschen sie drauflos. So kommt es zu einer Situation, wo der Kampf gegen Terrorismus zur Hälfte in Gefechte gegen die eigenen Leute geführt werden muss. Der Verfassungsschutz-Chef Maaßen beklagt, dass die vielen parlamentarischen Anfragen und Untersuchungsausschüsse seine Mitarbeiter von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten. Die Presse des Orients wird mit zunehmenden Rückschlägen des IS & Co. selbstkritischer und interessanter, hält sie unseren Politikern und Nahost-Experten doch schonungslos den Spiegel vor.

El-Thawra, der syrischen Baath-Partei nahe, bezeichnet die Anschläge von Paris und Brüssel als Ergebnis verfehlter Politik des Westens, „weil er aggressive Regime aus wirtschaftlichem Interesse legitimiert und somit den Terror zumindest duldet. Die Detonationen von Brüssel müssten ganz Europa wachrütteln. Stattdessen lässt man die Dschihadisten weiter gewähren.“ Der saudi-arabische El-Riad hält Iran und Syrien verantwortlich für die Expansion des Terrorismus und den Westens dafür, dass er die Augen zukneift und seine Wirtschaftsbeziehungen mit Iran neu ankurbelt.
Saudi-Arabiens El-Hajat wirft dem Westen vor, er habe die Zusammenarbeit des ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Maliki und Assad widerspruchslos toleriert. Der Iraker lieferte die sunnitischen Spitzen nach dem Sturz von Saddam Hussein an Syrien aus, wo sie sich frei zum IS organisieren konnten und zu Brandstiftern in beiden Staaten und der Welt wurden. Zur Rechenschaft wurden sie nie gezogen.

Syrien im Morast des Terrorismus
Im Unterschied zu dem Pauschaljammer, mit dem der islamische Terrorismus aus den Gebrechen des Westens auch ohne den IS erklärt wird, weisen muslimische Zeitungen in fast allen Ländern des Orients auf Fakten hin, welche die Eigendynamik der muslimischen Staaten und Machtblöcke belegen. Wie sehr der islamische Terrorismus versumpft ist, wird sehr deutlich am Beispiel Syrien und der Vielzahl seiner Protagonisten. Assad erklärt Verhandlungen mit der Opposition für nutzlos. Die einzige Chance für die Lösung des Bürgerkrieges, wie er es noch immer nennt, bestehe in einer militärischen Entscheidung.

Längst ist der Bürgerkrieg in einen Krieg der islamischen Blöcke mit ihren Milizen und Terrornetzen übergegangen. IS hat Syrien gespalten und Teile des Landes zum Kalifat erklärt. El-Nusra ist bemüht, seinen Einfluss auszuweiten. Assad ist nur noch eine Marionette des Irans und hat keine Chance mehr Syrien zukünftig zu führen. Alle Beteiligten haben inzwischen ebenfalls herbe Verluste eingesteckt.

Irans Revolutionswächter sterben in Syrien
Die Pasdaran sind nicht nur als Berater tätig. Ende 2015 wurde offenkundig, dass über 100 Iraner auf Schlachtfeldern Syriens auf dem Golan dicht an Israels Grenze gefallen sind. Darunter drei Generäle, mehrere Bataillonsführer, Hauptmänner, Leutnants und ein Pilot. Danach häuften sich die Berichte auf der iranischen Internet-Plattform mistreci.com über eine Kampfoffensive mit ständig steigenden Totenzahlen, z.T. in Nahkämpfen gegen den IS. Von den Iranern werden sie als „amerikanische Islamisten“ bezeichnet. Das Portal veröffentlichte sogar eine lange Liste von Gefallenen mit Rang und Namen.

Die sensiblen Beziehungen zwischen IS und Hamas
Ein Brief an den IS-Kalifen Abu Baker El-Bagdadi gerät an die Öffentlichkeit. Darin beklagt der Verfasser, ein Dschihadist aus Gaza, die Nähe der IS-Kämpfer auf der Sinai-Halbinsel (im Sprachgebrauch des IS „IS-Bezirk Sinai“ genannt) zu den unreinen Moslems der Hamas. Erstmals drangen schriftlich Details der Zusammenarbeit an die Öffentlichkeit. IS-Kommandeure empörten sich über Verrat von Militärgeheimnissen durch einen Gazaer, der sich dem IS in Syrien angeschlossen hatte. Dieser beteuerte, er habe als guter Moslem nur seinen Herrn ins richtige Bild setzen wollen: „Stellen sie sich vor, mein Kalif, auf Sinai werden Waffen für Hamas geschmuggelt, die ihrerseits Sprengstoffe für den IS-Bezirk Sinai liefern und logistische Unterstützung leisten. Diese Beziehungen bedeuten Unglück für den IS, denn sie sind eine eklatante Missachtung des Prinzips der Treue zum reinen Islam. Ein Übereifriger oder ein Geistesverwirrter, der die Theorien des IS nicht mit ihrer Praxis in eine Reihe bekommt? Wie auch immer. Die vielen Details haben Ärger verursacht. Der „IS-Bezirk Sinai“ unterstützt den Waffenschmuggel nach Syrien und Gaza. Im Gegenzug erhält er Sprengstoff und Munition. Es gibt feste Lieferstrecken zwischen Gaza und Sinai. Produktionsstätten der El Kassam-Brigaden (der bewaffnete Arm der Hamas), produzieren Bomben und Raketen für den IS. Hamas versorgt IS-Verwundete aus Sinai und verschweigt die Todesopfer aus Gaza, die in den Reihen des IS kämpften. Offiziell werden Dschihadisten und Sympathisanten des IS in Gaza verfolgt. Trotzdem gibt es regelmäßige Beratungen zwischen IS- und Kassam-Kommandeuren, an denen auch Regierungsvertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde teilnehmen. Das Geschäft von Hamas mit dem IS auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel richtet sich voll gegen Ägypten und seine dortigen Streitkräften. (…)

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