Samir Kuntar soll neue Anschläge auf den Golanhöhen geplant haben  

Februar 8, 2016 – 29 Shevat 5776
Zweite Chance vertan

Von Werner Sonne

Samir Kuntar war an einem der blutigsten Hisbollah-Anschläge auf Israel beteiligt – und soll in Damaskus weitere geplant haben. Später kam er bei einem Gefangenenaustausch unter Vermittlung des BND frei. Kürzlich wurde Kuntar bei einem Luftschlag getötet. Seine Geschichte liest sich wie ein Agententhriller.

Sie nannten ihn den „Dean oftheLebaneseprisoners“ – den am längsten einsitzenden unter den libanesischen Gefangenen. Und wenn es nach den Israelis gegangen wäre, dann wäre das auch heute noch so. Obwohl Israel viele Terroranschläge erlebt hat, hat sich die Tat von Samir Kuntar als besonders grausam im kollektiven Gedächtnis festgeschrieben.

1979, mit 17 Jahren, nahm Samir Kuntar vom Libanon aus mit einem Schlauchboot an einem Kommandounternehmen teil. Dabei drangen die vier Attentäter in Naharija in die Wohnung der Familie Haran ein. Kuntar erschoss den Vater und zerschmettere den Schädel der vierjährigen Tochter Einat. Eine weitere Tochter erstickte, als ihre Mutter sie am Schreien hindern wollte. Zwei Polizisten starben ebenfalls, ebenso wie zwei der Angreifer.

Immer wieder wollte die Hisbollah Kuntar freipressen, doch immer wieder weigerte sich Israel, diesem Druck nachzugeben. Schon seit 1996 spielte der deutsche Bundesnachrichtendienst eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung von Austauschaktionen von Gefangenen.

Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidtbauer, der sich gern als „008“ bezeichnen ließ, organisierte den ersten großen Austausch. 2004 kam es erneut zu einer BND-Aktion, bei der rund 430 Palästinenser und 16 Hisbollah-Kämpfer freikamen – gegen die Überreste von drei israelischen Soldaten und einem in Dubai entführten Ex-Obersten namens Tennenbaum. Nur einen nahmen die Israelis im letzten Moment von der Liste der Freigelassenen: Samir Kuntar.

Das sollte dramatische Konsequenzen haben. Die Hisbollah setzte alles daran, Kuntar dennoch freizubekommen. Obwohl der BND sie nachdrücklich vor den Folgen gewarnt hatte, entführte die Hisbollah 2006 unter dem bezeichnenden Motto „Gehaltenes Versprechen“ die beiden israelischen Soldaten Ehud Goldwasser und EldadRegev. Israel reagierte mit schweren Angriffen, die zum 33-tägigen Libanon-Krieg eskalierten – mit über 1.500 Toten. Wieder konnte die Hisbollah ihr Versprechen nicht einhalten: Samir Kuntar blieb in seinem israelischen Gefängnis.

Wie wohl kaum ein anderes Land hält Israel einen Grundsatz hoch: niemand wird auf dem Schlachtfeld zurückgelassen – ob lebend oder tot. Die beiden entführten Soldaten, das stellte sich nun heraus, waren umgekommen. Nun machten die Familien erfolgreich enormen Druck, ihre Überreste freizubekommen. Die Olmert-Regierung in Jerusalem musste einknicken.

Und plötzlich war der Name Samir Kuntar wieder im Spiel. Selbst die Vereinten Nationen schalteten sich ein. Der BND-Mann Gerhard Conrad, schon zuvor bei den Vermittlungsaktionen dabei, wurde zur UN ausgeliehen und verhandelte zwei Jahre lang, bis die Israelis unter hohem innenpolitischem Druck nachgaben: Gegen die Rückkehr der Leichen der beiden Soldaten wurden mehrere hundert Palästinenser an der libanesischen Grenze übergeben – und diesmal auch Samir Kuntar, nach 30 Jahren Gefangenschaft.

Er war fortan der Hisbollah-Vorzeigekämpfer, ließ sich in Uniform fotografieren, Symbol dafür, dass man die Israelis doch in die Knie zwingen kann. Doch anders als die meisten Hisbollah-Kämpfer, die ihre Unterstützung aus Iran und Syrien erhalten, war Kuntar kein schiitischer Libanese, sondern gehörte zur Minderheit der Drusen, die auch auf den Golanhöhen an der Grenze Israels starke ethnische Wurzeln haben.

Und im komplizierten Schachspiel der Kräfte im syrischen Konflikt wurde Kuntar nun plötzlich ein Störenfried. Samir Kuntar – so beobachtete es offenbar nicht nur der israelische Geheimdienst – zog in einen Vorort von Damaskus. Von dort aus versuchte er angeblich, unter den Drusen ein Netzwerk zu organisieren. Das Ziel: Sie sollten auf den Golanhöhen Terroranschläge verüben und so eine neue Front zu eröffnen. Das ist für Israel eine rote Linie an seiner nördlichen Grenze. Mehrfach bereits reagierte Israels Luftwaffe mit Luftschlägen gegen alle Versuche, die Golanhöhen zum Kriegsgebiet zu machen – ohne, dass die Syrer reagierten. (...)

(Mit freundlicher Genehmigung von cicero.de)

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