Seit fünf Jahren hat Potsdam einen preisgekrönten Entwurf – gebaut wird noch immer nicht 

  • Juli 2, 2014 – 4 Tammuz 5774
  • Meinung, Thema
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Juli 2, 2014 – 4 Tammuz 5774
Scheitert der Synagogenbau?

Brandenburg ist das einzige deutsche Bundes- land, in dem seit der Schoah, dem Kalten Krieg und der deutsch-deutschen Wiedervereinigung keine Synagoge gebaut worden ist. Dabei gibt es zahlreiche Protagonisten auf jüdischer wie nichtjüdischer Seite, die Pläne zum Bau eines jüdischen Gotteshause, speziell in der Landes- hauptstadt Potsdam, seit den 1990er Jahren be- harrlich verfolgen. Doch was längst schon Re- alität sein sollte, ist auch im Jahr 25 nach dem Mauerfall noch immer graue Theorie.
Ideen und Vorstellungen für ein neues jüdi- sches Gotteshaus speziell in Potsdam gab es schon zu Beginn der 1990er Jahre. So wurde damals der mögliche Umbau einer Kirchen- ruine in Potsdam-Babelsberg diskutiert. Jah- re später entbrannte die Diskussion darüber, eine neue Synagoge möglicherweise auch am alten Standort – dem einstigen Wilhelmsplatz und heutigen Platz der Einheit – zu errichten. Die Idee wurde letztendlich verworfen, da sie den Abriss von heutiger Wohnbebauung er- fordert hätte. Weitere Standorte und Model- le kamen in die Diskussion. Ganz konkrete Pläne mit breitem öffentlichen Rückhalt ent- wickelten sich dann durch den 2005 gegrün- deten Bauverein «Neue Synagoge Potsdam e.V.», dem Juden wie Nichtjuden, Theologen, Bürgerbewegte, aber auch prominente Kom- munalpolitiker und Mitglieder der Branden- burgischen Landesregierung angehören. Wie in anderen deutschen Städten auch, wurde nun um eine sinnvolle Kombination von Sy- nagoge und funktionalem Gemeindezentrum gerungen. An einem vom Land Brandenburg im Januar 2009 europaweit ausgelobten Wett- bewerb für die neue Synagoge beteiligten sich 150 verschiedene Architekturbüros. Als Sieger ging im April 2009 das Büro des Ber- liner Architekten Jost Haberland hervor. Ha- berlands Entwurf ist vergleichsweise modern gehalten – insbesondere was die Außenfas- sade betrifft –, doch fügt sich die entworfene Synagoge im Sinne eines «Stadtbausteines» selbstbewusst in den innerstädtischen Kern ein. Der Entwurf nahm die Höhe des Vor- gängerbaus auf, als Fassadenmaterial wurden beispielsweise gelblich geschlämmte Ziegel gewählt, was Reminiszenzen sowohl zur tra- ditionellen Backsteinarchitektur als auch zu den historischen Putzfassaden herstellt. Im Inneren trägt die geplante Synagoge den sak- ralen Bedürfnissen, aber auch den Aufgaben eines multifunktionalen Gemeindezentrums gut Rechnung. Für Planung und Bau der Syna- goge stellte die Landesregierung eine Summe von 5 Millionen Euro in den Haushalt ein, und der Liegenschaftsbetrieb nahm die Baupla- nungen auf.

Voller Zuversicht lud die Jüdische Gemein- de Potsdam e.V. an Sukkot 2009 zu einem gro- ßen Straßenfest ein, um den beschlossenen Synagogenbau nach Haberlands Entwürfen mit allen Sympathisanten und Unterstützern zu feiern. Die Weihe der Synagoge wurde für 2012, noch vor Fertigstellung des wieder auf- zubauenden historischen Stadtschlosses, ge- plant. Doch während der schmucke Schloss- neubau mittlerweile Touristen aus aller Welt anzieht und den Brandenburgischen Landtag beherbergt, gähnt auf der anderen Seite der Straße, 300 Meter Luftlinie entfernt, ein wüs- tes Bauloch mit wildem Gestrüpp.

Was war geschehen? Womit weder die Archi- tekten noch die Gemeinde und der Bauverein gerechnet hatten, war eine nachträgliche Fun- damentalkritik am Bau. Die lieferte ab Ende 2009 eine Gruppierung um den in Potsdam lebenden, prominenten israelischen Musiker und Komponisten Ud Joffe. Joffe ist gleichzei- tig Kantor der Evangelischen Erlöserkirche in Potsdam West. Flankiert von der Bürgerinitia- tive «Mitteschön», die sich um möglichst de- tailgetraue historische Rekonstruktionen in Potsdams alter Innenstadt bemüht, und dem Chabad-Rabbiner Nachum Presman, der etwa zum gleichen Zeitpunkt die Jüdische Gemein- de Potsdam e.V. im Streit verließ, bemängelte Joffe unter anderem, dass der geplante Bau nicht wirklich als Synagoge erkennbar sei, der Synagogenraum im Bauentwurf zu hoch liege und ein räumliches Missverhältnis zwischen Gemeindezentrum, Funktionsräumen und Gebetsraum bestünde. Joffe unterstellte, dass einiges am geplanten Gebäude nicht mit den Grundsätzen der Halacha vereinbar sei – ein Vorwurf, den sowohl das Architektenbüro wie auch der Berliner Rabbiner Yitzhak Eh- renberg, der als sachkundiger Berater fungiert hatte, entschieden zurückwiesen. Besonders heftige Kritik richtete Joffe allerdings gegen die ihm und seinen Mitstreitern als zu wenig sakral erscheinende Außenfassade. Joffe, der bis zu diesem Zeitpunkt nie Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Potsdam gewesen war, forderte nun eine grundsätzlich neue Diskus- sion um das Synagogenprojekt. Dabei ent- puppte sich der in Kirchenkreisen als smart geltende Kantor mit israelischem Background als wenig zimperlich, häufig gerieten seine öf- fentlichen Auftritte zu einem verbalen Rund- umschlag, der die Öffentlichkeit aufhorchen ließ. Die Jüdische Gemeinde e.V. bezeichnete Joffe kurzum als «russisches Judenamt» und Haberlands Synagogen-Entwurf als «Gebets- bunker», der ihn an «Naziarchitektur» erinnere.

Im Sommer 2010 verstärkte Joffe seine Kampagne und gründete eine eigene Jüdische Gemeinde mit dem bezeichnenden Namen «Synagogengemeinde Potsdam». Ein Jahr darauf überraschten er und seine Mitstreiter die Öffentlichkeit erneut mit der Gründung eines eigenen «Fördervereins für eine wür- dige Synagoge in Potsdam» – für den Pots- damer Durchschnittsbürger eine kaum noch überschaubare Gemengelage.

Von Olaf Glöckner

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