Tatenlosigkeit in Syrien, sinnloser Aktionismus im Baltikum  

Mai 11, 2016 – 3 Iyyar 5776
NATO-Schmierenkomödie in Osteuropa

Von Attila Teri

Seit einigen Tagen sorgt eine Meldung für Aufregung: Die NATO-Mitgliedstaaten im Osten fühlen sich zunehmend von Russland bedroht und fordern die Verstärkung der mobilen Einsatztruppen. Eine Entscheidung über die Aufstockung auf 1.000 Mann mit wechselnder Besetzung soll Anfang Juli beim NATO-Gipfel in Warschau fallen. Falls es so weit kommt, gibt es auch Gedankenspiele, nach denen die Bundeswehr eine Führungsrolle in Litauen übernehmen könnte. Die Rede ist von 150 bis 250 deutschen Soldaten. Andere, größere NATO-Staaten überlegen, in anderen osteuropäischen Ländern es den Deutschen gleichzutun.

Viele fragen sich – ich auch – was denn das Ganze eigentlich bringen soll? Putin ist sicher alles anderer als ein Waisenknabe, aber – haben wir gerade keine anderen Probleme? Es ist doch seltsam, wenn die NATO dort, wo sie gebraucht wird, eher das Weite sucht, und dort wo es kaum einen Sinn macht, die Muskeln spielen lässt!

Aber ist die Antwort wirklich so einfach? Je länger ich mir darüber Gedanken mache, umso verwirrter fühle ich mich. Oder ist „für dumm verkauft“ für mein Empfinden doch die bessere Beschreibung?

Ich stelle mir gerade vor, wie Zar Wladimir Wladimirowitsch der Erste auf seinem Thron in Schockstarre fällt vor Angst wegen der drohenden deutschen Invasion in Russland. Auf jeden Fall versucht Lawrow, sein Außenminister, der mit seinem stets grimmigen Gesicht allmählich schon Gromyko (zwischen 1957 und 1985 Außenminister der Sowjetunion) Konkurrenz machen könnte, diesen Eindruck zu vermitteln. Russland fühle sich bedroht und sei bereit darauf zu antworten, lässt er verlauten.

Klingt ganz schön albern – in Anbetracht der Tatsache, dass nach unzähligen Wasserstandsmeldungen die Bundeswehr in einem so maroden Zustand sein soll, dass sie nicht einmal eine Schrebergartenkolonie vor einem Überfall zu beschützen vermag. Wer schiebt schon ernsthaft Panik vor einer Armee, die kaum brauchbares und funktionierendes Arbeitsgerät besitzt, geschweige denn genügend Kampferfahrung? Ausgenommen sind nur diejenigen deutschen Soldaten, die in Afghanistan für nichts und wieder nichts „die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt“ haben und entweder in einer Holzkiste oder völlig desillusioniert zurückkamen, beschimpft von den „Blumenkindern“ der verlogenen „Friedensbewegung“.

Warum sich die Bundeswehr nicht lieber mehr im syrischen Bürgerkrieg engagiert? Im Irak? In Jemen? Weil sie es vermutlich nicht mal könnte, wenn es gewollt wäre. Zudem sei die Frage erlaubt, mit wem und mit was? Und wofür denn überhaupt? Obama lief mehr oder weniger davon, nachdem er mit dem Einlösen seines großspurigen Versprechens, die amerikanischen Soldaten heimzuholen, alles getan hat, um die Region noch mehr zu destabilisieren als sein Vorgänger Bush. Der (ohn)mächtigste Mann der Welt betreibt Augenwischerei und Europa ist sich uneinig wie üblich in der Frage, wie die Region dauerhaft befriedet werden könnte. In Syrien lässt Putin den Westen hinhalten, lehnte unlängst eine erneute Feuerpause in Aleppo ab und lässt es zu, dass Assads Armee die Stadt sturmreif schießt. Im Irak droht sich die staatliche Ordnung endgültig aufzulösen – mit unabsehbaren Folgen. Also, was bleibt übrig außer der alten (Schmieren-)Komödie im Osten? Oder passt Realsatire, Tragikomödie, Trauerspiel besser als korrekte Bezeichnung? (…)

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