Eine Reise zu den Juden von Kuba  

Januar 4, 2016 – 23 Tevet 5776
Mizwah mit Hindernissen

Von Yehudit de Toledo Gruber

Wie schnell doch die Tage, Monate und Jahre vergehen. Ich schaue auf die vielen bunten, mir gerade gesandten Chanukka-Fotos, die Grüße mit einer neuerlichen Einladung aus Havanna, zur einzigen orthodoxen jüdischen Gemeinde von ganz Kuba und kann es gar nicht glauben, daß meine Mizwah-Aktion für „Adath Israel“ in Havanna nun auch schon wieder „Geschichte“ ist.

Keine einfache allerdings, wie das halt immer so ist beim vorsichtigen Sich-annähern, beim Sich-kennenlernen und überwinden transatlantischer Gepflogenheiten, lateinamerikanischer Alltagsabläufe verbunden mit der nicht so akkuraten Trennung von Religion und Staat auf Kuba.
Das weckt natürlich nicht nur Neugier, besonders, wenn man als eine Art „Abgesandte“ eines „kapitalistischen Landes“, als das Deutschland nun einmal gesehen wird, mit mühsam verborgener Skepsis und eher vorsichtig empfangen wird. Aber derlei Reminiszenzen sind mir ja als „gelernte DDR-Bürgerin“ nicht fremd. Habe ich mich doch selbst nach meiner Flucht von Dresden nach München hier im „wilden Westen“ erst einmal sortieren, zurechtfinden und sehr viel lernen müssen. Schwarz ist eben nicht nur schwarz und auch das weiß besteht aus vielen Nuancen. Außerdem ist mir Kuba nicht fremd, sondern fast eine zweite Heimat geworden im Verlaufe meines langen Lebens.

Castros Regierung sandte zu Beginn seiner Amtszeit 1959 einen Hilferuf an das gesamte damalige „Sozialistische Lager“. Und so trafen in den Folgejahren viele Techniker aus Polen, Polizisten aus der Tschechoslowakei, Techniker aus Bulgarien, Mediziner aus der damaligen Sowjetunion und vor allem deutsche Lehrer auf Cuba ein, die dort nun alle unter ziemlich schwierigen Anfangsbedingungen versuchten, mit dem Spanischen klarzukommen, den großen Temperaturunterschieden, den leichtlebigen Lebensrhythmen und vollkommen anderen Auffassungen von sozialistischer Ökonomie, Planung und Disziplin – unter der Oberaufsicht der „Sowjetischen Nomenklatura“. Da waren Konflikte natürlich vorprogrammiert, über die ich heute, nach so vielen Jahren, nur herzlich schmunzeln kann. Denn ich wurde nach meinem Einsatz in der Sierra Maestra mit dafür vorgesehen, später an der Universität zu Havanna Deutsche Literatur und Geschichte lehren zu dürfen – für angehende Deutschlehrer-Studenten.

Nach dem Mauerfall, dem Zusammenbruch des „Sozialistischen Lagers“ und dem Beginn meines neuen Lebens in München flog ich immer mal wieder nach Kuba, und war besonders interessiert, als ich hier in diversen Zeitungen las, auf Kuba gäbe es wieder ein offizielles, sehr aktives Judentum. Das konnte ich, nach allem Erlebten, gar nicht recht glauben und beschloss 2005, mich davon selbst zu überzeugen.

Die Organisation meiner damaligen privaten „jüdische Reise“ quer durch die gesamte Insel war sehr schwierig, bewegend und kam überhaupt nur zustande, weil mich französische und kanadische Rabbiner dabei tatkräftig unterstützten. Ich besuchte viele jüdische Gemeinden in großen kubanischen Städten und erlebte temperamentvolle, kluge, warmherzige, aber auch vollkommen verarmte jüdische Kubaner.

Ganz besonders beeindruckte mich die einzige orthodoxe jüdische Gemeinde in Alt-Havanna „Adath Israel“, weil es ihnen die allgegenwärtige Mangelwirtschaft auf Kuba besonders schwer macht, die Mizwot und die Halacha einzuhalten. Vielsagend für mich war außerdem, dass die Kubaner, ganz gleich ob nun ganz unten im Osten oder im Norden der Insel, gar nicht informiert zu sein schienen über uns in Europa, über das neue, vielschichtige und moderne Judentum, welches nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus und der schrecklichen Schoah in Europa wiedererstand. Viele diesbezügliche Fragen sowie meine früheren DDR-Erfahrungen bestätigten mir außerdem, wie schade es ist, wenn man nicht so ohne weiteres in andere Länder reisen kann.

Nach einigen Gesprächen mit der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, Frau Dr. Charlotte Knobloch, versuchten wir es möglich zu machen, einige besonders verdienstvolle, ältere kubanische Juden zu uns nach München einzuladen. Ich wusste viele Unterstützer an meiner Seite für die Unterbringung, die Verpflegung, für Stadtbesichtigungen und sonstigen Betreuung rund um die Uhr. Diesbezüglich schrieb ich unzählige Briefe und Anträge und scheiterte letztendlich an den hohen Hürden seitens der deutschen und der kubanischen Behörden-Auflagen. Wir mussten das Projekt leider aufgeben.
Erschwerend kam und kommt übrigens immer noch dazu, dass es auf Kuba kaum oder nur sehr wenig Internet-Nutzung gibt. Diejenigen, welche sich mit Hilfe ihrer ausländischen Verwandten einen Computer oder ein Smartphone leisten können, müssen jeden Zugang/Klick ins Internet mit der nur in Kuba existierenden Sonderwährung CUC (Cubanische Pesos Convertibles) bezahlen. Aktuell ist 1 CUC 24 kubanische Pesos wert! Und wenn man bedenkt, dass die Kubaner ausschließlich mit kubanischen Pesos entlohnt werden, also rein offiziell gar keine CUC besitzen können, dann ist das besonders heftig.

Aber nicht nur die Internet-Nutzung, sondern mittlerweile sehr, sehr viele zusätzliche, aber notwendige Dinge des alltäglichen Lebens müssen die Kubaner schon seit Jahren mit CUC bezahlen. Und weil sämtliche ausländischen Touristen, welche in Kuba einreisen, ihr Geld in CUC umtauschen müssen, damit sie sich auf Kuba bewegen, erholen und amüsieren können, blüht der Schwarzmarkthandel und das Buhlen um sämtliche Touristen. Denn komme was wolle, man braucht diese CUC mittlerweile fast zum Überleben. Beim Tauschen und Handeln, ob nun offiziell oder inoffiziell, nutzen viele Währungen, ausgenommen der Dollar! Der ist auf Kuba vollkommen tabu! Und da hilft es gar nichts, dass jetzt alle Welt von einer vorsichtigen Annäherung der USA an Kuba spricht. Die Realität ist eine andere. Denn besonders die Wirtschaftsblockaden verursachen sehr viel Not, Trostlosigkeit, ja Stillstand auf der Insel. Ein kleiner Lichtblick scheint das Gestatten von minimaler Selbstständigkeit mit kleineren Gewinnen zu sein. Das machen sich nun findige Kubaner zunutze, indem sie z.B. ihre Wohnungen zu kleinen Restaurants oder Wohnquartieren für die zahlreichen Touristen umfunktionieren, die von China massenhaft gelieferten Fahrräder zu Rikschas umbauen und damit Touristen quer durch die Stadt kutschieren oder kleinere Obststände an diversen Straßenecken postieren, mit Zwiebeln, Äpfeln, und Bananen. Freilich alles nur zu haben für CUC!

All diese widrigen Umstände und der gescheiterte Versuch, jüdische Kubaner nach München einladen zu können, brachten mich Ende 2014 auf die Idee, ein 7-tägiges Mizwah-Projekt für „Adath Israel“ in Havanna zu organisieren. Erneut konsultierte ich unsere Präsidentin, unterbreitete ihr meine Vorstellungen und fragte an, ob sie und unser Vorstand es mir gestatten würden, im Namen unserer Gemeinde Spenden zu sammeln, die ich dann persönlich in Kuba überreiche. Unsere Präsidentin fand dieses Mizwah-Projekt interessant vor allem auch deshalb, weil gerade Kuba eines der wenigen Länder war, welches den verzweifelten jüdischen Flüchtlingen während des Nazi-Terrors und der Schoah Zuflucht und Hilfe gewährte.

Als meinen Begleiter wünschte sie sich den serbischen Kantor Nikola David, welcher u. a. auch für die Liberale Jüdische Gemeinde Beth Shalom tätig ist. Da ich diesen jungen Kantor weder namentlich noch persönlich kannte, stellte ich einen Kontakt her und fragte ihn, ob er es sich vorstellen könnte, mich bei einer Mizwah-Reise nach Kuba zu begleiten. Er reagierte natürlich vollkommen perplex und konnte es zunächst gar nicht glauben, von unserer Präsidentin für eine so schöne Aufgabe ausgesucht worden zu sein. Doch nach kurzer Bedenkzeit für sich und seine Familie – Herr David ist verheiratet, hat 2 Söhne und lebt in Augsburg – stimmte er zu. Die nun folgende, notwendige, gesamte Organisation dieser Mizwah, für die ich allein verantwortlich war, hatte ich mir, ehrlich gesagt, einfacher vorgestellt. Aber was ist schon einfach, wenn es mit Kuba im Zusammenhang steht? (...)

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