König Mohammed V. als Garant jüdischen Lebens in Marokko  

Juni 2, 2016 – 25 Iyyar 5776
Jüdisches Leben in Nordafrika

Von Nikoline Hansen

Es gibt sie noch: Juden in den nordafrikanischen Staaten. Allerdings ist ihre Anzahl überschaubar geworden. Aus den einst blühenden Gemeinden ist ein Häufchen Weniger geworden, die ausharren und einer zunehmend feindlichen Umwelt trotzen. Dabei gab es wie überall in der Geschichte der Diaspora auch in Nordafrika in den letzten 2.000 Jahren immer wieder bessere und schlechtere Zeiten – denn das Schicksal der Juden hing immer von der Willkür der Machthaber ab. In der Regel wurden Juden geduldet, wenn sich das aufnehmende Land einen Nutzen davon versprach. Meistens war es aber ihre Verfolgung in den Ländern, in denen sie lebten, die Juden dazu veranlasste sich neue Heimstätten zu suchen.

Beispielsweise Tunesien: Während unter der römischen Herrschaft jüdisches Leben präsent war flohen viele Juden nach einem Edikt im Jahre 535, das ihnen verbot öffentliche Ämter zu bekleiden und ihre Religion auszuüben, zu den Berbern. Die Verhältnisse änderten sich erst wieder durch die arabische Eroberung Tunesiens im 7. Jahrhundert. Unter der arabischen Herrschaft wurden Juden zwar immer noch steuerlich diskriminiert, konnten jedoch wenigstens unter zufriedenstellenden Bedingungen leben. Während der Spanischen Invasion 1535-1574 verschlechterten sich die Lebensumstände wieder und besserten sich einmal mehr unter der Herrschaft der Ottomanen.

Schließlich verbesserte sich die Situation erheblich aufgrund einer liberalen Gesetzgebung während der Regentschaft von Ahmed Bey, die 1837 begann; unter der französischen Herrschaft emanzipierten sich die tunesischen Juden. Die Lebensbedingungen änderten sich 1940 mit der antisemitischen Gesetzgebung des Vichy-Regimes und der deutschen Besatzung 1942/43 dramatisch und es kam bis zum Rückzug der deutschen Armee zu Deportationen. Noch einmal verschlechterten sich die Lebensbedingungen nach der Unabhängigkeit Tunesiens 1956: In Folge wurden 1958 die jüdischen Gemeinden aufgelöst, die Regierung nahm den Sechs-Tage-Krieg zum Anlass die jüdischen Wohnviertel zu zerstören. Trotz dieser widrigen Umstände gibt es noch jüdische Gemeinden in Tunis und Djerba sowie etwa 200 Juden, die in der Gegend um Sousse und Monastir leben. Die Synagoge von Djerba war 2002 Ziel eines Attentats, das 21 Menschenleben kostete.

2013 wuchs die Sorge um die verbliebenen etwa 1.700 tunesischen Juden (1948 waren es noch etwa 100.000 gewesen, nach Angaben des World Jewish Congress emigrierten seitdem 53.068 Juden alleine nach Israel) einmal mehr, nachdem es mehrere Anschläge auf jüdische Gräber gegeben hatte. Außerdem war es während eines Besuchs des „palästinensischen Premierministers“ Ismail Haniyeh, der der Hamas-Partei angehört, zu „Tötet die Juden“-Rufen gekommen. Das Hauptquartier der „palästinensischen Befreiungsorganisation PLO“ befindet sich in Tunis. Ein Schicksalsschlag der besonderen Art ereilte die tunesische Gemeinde im Januar 2015, als Yoav Hattab, Sohn des tunesischen Oberrabbiners bei dem terroristischen Überfall auf den koscheren Supermarkt Hyper Cacher in Paris getötet wurde – einmal mehr ein Beweis dafür, dass Juden in aller Welt besonderen Gefahren ausgesetzt sind.

Auch das Schicksal der Juden von Marokko prägt eine turbulente historische Achterbahnfahrt und zeigt, dass das Schicksal der Juden eng verknüpft ist mit dem Wohlwollen der Regierenden der Länder, in denen sie sich befinden. Juden lebten in Marokko bereits ehe die Römer nach Nordafrika kamen. Daher gibt es in Marokko nicht nur sephardische und aschkenasische Juden, sondern auch jüdische Berber. Eine erste große Flüchtlingswelle aus Spanien kam 1391 ins Land, 1492 und 1497 folgten aufgrund der akuten Vertreibung weitere Flüchtlinge aus Spanien und Portugal. Dabei waren Marokkos Juden seit 1438 gezwungen, in eigenen Vierteln zu wohnen, die Mellah genannt wurden. Dieser Zustand hielt über einige hundert Jahre an. Die Situation der Juden in Marokko besserte sich erst unter der französischen Herrschaft, die 1912 begann. Juden erhielten die gleichen Bürgerrechte und das Recht, ihre Religion frei auszuüben.

Während des Zweiten Weltkriegs verhinderte der marokkanische König Mohammed V. die Deportation der Juden in das antisemitische Frankreich unter der Vichy-Regierung. Zum Zeitpunkt der Staatsgründung Israels 1948 lebten über 300.000 Juden in Marokko. Trotzdem wanderten viele Juden in der Folge aus: Sie gingen nach Israel, Frankreich, in die USA und nach Kanada. Die in Marokko verbliebenen Juden leben zwar nicht mehr in eigenen Vierteln, folgen aber der Tradition und heiraten in der Regel untereinander. Die größte Gemeinde gibt es mit etwa 5.000 Juden in Casablanca, kleinere Gemeinden in Rabat, Marrakesch, Meknès, Tangier, Fez und Tétouan.
Die in Marokko verbliebenen Juden sind voll in die Gesellschaft integriert, sie sind liberal und tolerant. Es gibt zwei rabbinische Gerichte, die offiziell bevollmächtigt sind innerhalb des marokkanischen Rechtssystems Erbschafts- und Familienangelegenheiten wie Heirat und Scheidung zu regeln. 2011 wurde die Einzigartigkeit des jüdischen Erbes konstitutionell anerkannt und Premierminister Abdelilah Benkirane überbrachte anlässlich der feierlichen Wiedereinweihung der Slat Alfassiyine Synagoge in Fez eine Grußbotschaft des Königs Mohammed VI., in der er den Juden ihre Religionsfreiheit zusicherte. (...)

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