Mit Theresa May wird eine ausgesprochene Unterstützerin Israels neue britische Premierministerin  

August 5, 2016 – 1 Av 5776
Israel-Freundin an Großbritanniens Spitze

Von Jerome Lombard

An diesem Mittwoch, dem 13. Juli, ging alles ganz schnell in der britischen Hauptstadt. Ja, man könnte sagen, es ist diese Art von Schnelligkeit, die ein Ereignis historisch macht.

Am Vormittag gaben sich David Cameron und Theresa May zuerst die Klinke des Buckingham Palace in die Hand. Am Nachmittag dann die von Downing Street Number 10. Während Ersterer bei Königin Elisabeth II. sein Rücktrittsgesuch als Regierungschef einreichte und später folgerichtig aus der Premier-Wohnung im Herzen Londons auszog, war Letztere angetreten, um das Steuer zu übernehmen. Die 59-jährige May ist neue Premierministerin Großbritanniens. Nach der „Eisernen Lady“ Margareth Thatcher als zweite Frau in der Geschichte des Vereinigten Königreichs.

Die konservative Politikerin war unter Cameron sechs Jahre lang Innenministerin. May übernimmt die Regierungsgeschäfte Großbritanniens in einer politisch äußerst schwierigen Situation. Ihre Regierung muss nach dem Brexit-Referendum den Austritt des Landes aus der „Europäischen Union“ (EU) erst verhandeln und dann durchsetzen. Eine Mammut-Aufgabe und ein politischer Präzedenzfall ohne historische Parallele. So wie Cameron als der Premier in die Geschichte eingehen wird, der den Brexit angeleiert und ermöglicht hat, wird May diejenige sein, die Großbritannien auch tatsächlich aus der EU geführt hat.

Und May ist angetreten, um den Brexit „zu einem Erfolg zu machen“, wie sie sagt. Will heißen: Sie versteht die Entscheidung der Briten nicht bloß als Austrittswunsch aus der EU, mit der das Vereinigte Königreich auch zukünftig enge Beziehungen unterhalten will, sondern als Aufruf zu einem echten gesellschaftlichen Wandel. Im Land läuft Einiges schief. Die Gräben in der Gesellschaft vertiefen sich. Viele Menschen auf dem Land und in den Kleinstädten vor allem im vernachlässigten Norden fühlen sich abgehängt, von „den Eliten in London“ nicht mehr vertreten. Für viele dieser Wähler war der Brexit und die scheinbar einfachen Antworten der „Brexiteers“ auch ein politischer Protest. Ein Abstrafen der Herrschenden. Das hat May offenkundig verstanden. Wenn sie in ihrer Antrittsrede erklärt, sie wolle dafür sorgen, dass Britannien „nicht mehr nur für die wenigen Privilegierten funktionieren darf“, liegt ein Hauch von konservativer Revolution in der Luft.

Im Referendums-Wahlkampf hatte sich die Tochter eines anglikanischen Pastors aus Eastbourne noch für den Verbleib des Landes in der EU eingesetzt. Wohlgemerkt, ohne großen Enthusiasmus für die Institutionen in Brüssel erkennen zu lassen. Jetzt hat May die Seiten gewechselt. Ihr blieb auch nichts anderes übrig. Nach dem demokratischen Votum der Bevölkerung konnte es keinen Exit vom Brexit geben. Eigentlich hatte sich May auf einen harten Wahlkampf um die Nachfolge Camerons eingestellt, doch dazu kam es nicht. Ihre einzige aus den parteiinternen Vorwahlen verbliebene Konkurrentin, Andrea Leadsom, hatte frühzeitig das Handtuch geworfen. Anders als May konnte sie keine langjährige politische Erfahrung vorweisen. Und dass sie ein erfahrenes Händchen für das fragile Machtgefüge in Westminster hat, konnte May sogleich bei der Zusammenstellung ihres neuen Kabinetts beweisen. „Remainers“ und „Brexiteers“ aus den Reihen der Tories halten sich die Waage.

Die vielleicht überraschendste Personalie: Boris Johnson, Ex-Bürgermeister von London, Gesicht der EU-Gegner, ist neuer Außenminister. Auf dem europäischen Festland und jenseits des Atlantiks reagierte man erstaunt bis verstimmt auf Johnson. In Israel war man sicherlich nicht minder erstaunt, zu Verstimmung gibt es aber keinen Grund: Wie seine Chefin gilt Johnson als ausgesprochener Unterstützer des jüdischen Staats. Johnson hatte Israel in der Vergangenheit immer wieder als einzige Demokratie im Nahen Osten bezeichnet, die jedwede Unterstützung verdient habe. Anhänger der anti-israelischen BDS-Boykottbewegung hatte Johnson während eines Besuchs in Israel im letzten November schmallippig als „idiotische, linke, Cordjacken-Akademiker“ bezeichnet. An solch markige Worte, vorgetragen auf höchstem diplomatischen Parket, könnte man sich doch glatt gewöhnen.

Neues Kapitel anglo-israelischer Beziehungen
„Israel kann sich sicher sein, dass ein Vereinigtes Königreich unter der Führung von Theresa May an seiner Seite stehen wird. Durch ihre Erfahrungen als Innenministerin hat sie ein tiefes Verständnis dafür gewonnen, welche Gefahr der radikale Islam für Großbritannien, Israel und die internationale Gemeinschaft darstellt “, so formulierte es der parlamentarische Vorsitzende der „Conservative Friends of Israel“, Eric Pickles. Der Parlamentarier machte kurz nach der Ernennung Mays zur Premierministerin auf diesen für alle Unterstützer Israels wichtigen Punkt aufmerksam: Theresa May hat sich während ihrer ganzen politischen Karriere als Freundin und Unterstützerin des jüdischen Staats einen Namen gemacht.

Als im Sommer 2014 die Raketen der Hamas aus Gaza flogen und Israel sich zu einer militärischen Antwort genötigt sah, ließ sie sich nicht auf die in solchen Fällen immer wiederkehrenden zynischen Debatten über die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes ein, sondern verteidigte in ihrer Position als britische Innenministerin das Selbstverteidigungsrecht Israels: „Keine demokratische Regierung kann im Angesicht einer derartigen Bedrohung anders handeln, als starke Verteidigungs-und Sicherheitsressourcen bereit zu halten und diese im Ernstfall auch einzusetzen. Deswegen verteidige ich, sowie die gesamte britische Regierung, Israels Recht auf Selbstverteidigung.“

Im April 2015 betonte May ihre Unterstützung für Israel und für die jüdische Gemeinschaft in Großbritannien in einer Rede zur Feier des israelischen Unabhängigkeitstages auf einer Veranstaltung der Bnei Akiva-Jugendorganisation, als sie sagte: „Der moderne Staat Israel ist die Erfüllung vieler Generationen des Kampfes.“ Sie fügte hinzu: „Es ist ein tragischer Fakt der Geschichte, dass sich das jüdische Volk fortwährend gegen Versuche es auszulöschen, verteidigen musste und dass die Sicherheit des jüdischen Volkes niemals als selbstverständlich betrachtet werden kann.“

Als Innenministerin ließ May ihren Worten auch Taten folgen. Die Sorgen der jüdischen Gemeinschaft vor einer neuen Welle des Antisemitismus speziell durch die Zuwanderung von Menschen aus muslimischen Ländern nimmt May ernst. Im März dieses Jahres kündigte sie eine Aufstockung des Sicherheitsetats zur Bewachung von Synagogen und Gemeindeeinrichtungen auf insgesamt 13,4 Millionen Euro an. „Wir müssen alle unsere Anstrengungen verdoppeln, damit wir den Antisemitismus hierzulande ausrotten“, begründete sie ihre Initiative. Mit der konservativen Partei hat Israel schon seit langem einen starken Partner. Dies steht im krassen Widerspruch zur oppositionellen Labour-Partei, aus deren Reihen immer wieder Politiker mit antisemitischen Statements auffallen. Bereits unter Premier Cameron war Großbritannien neben Deutschland einer der wichtigsten und engsten Verbündeten des jüdischen Staats in Europa. Diese Tradition wird May auch außerhalb der EU-Institutionen weiterführen.

Die äußerst freundschaftlich-kooperativen Beziehungen zwischen Großbritannien und Israel könnten sogar einen neuen Schub bekommen. Das liegt einerseits an der neuen Premierministerin mit ihren Prinzipien und andererseits an der Tatsache, dass die EU mit ihrer außenpolitischen Vertreterin, Federica Mogherini, alles andere als den Eindruck einer felsenfesten Freundschaft mit dem jüdischen Staat macht. Großbritannien muss seinerseits seine außenpolitischen Beziehungen neu ordnen. Auch wenn das zukünftige Verhältnis zu den EU-Partnern noch genauso unklar ist wie die Frage, ob May den Brexit tatsächlich zu einem Erfolg machen wird, ist eines sicher: Die enge Partnerschaft mit Israel wird in ihrer Amtszeit auch außerhalb der EU ein zentraler Pfeiler britischer Außenpolitik bleiben.

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