Ein Nachruf von einem Landsmann  

Oktober 7, 2016 – 5 Tishri 5777
Ishak Alaton – der große türkisch-jüdische Unternehmer ist tot

Von Ekrem Kus

“Was soll ich mit einem Porsche oder Ferrari? In Istanbul beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit von Autos 17,5 km/h. Mehr ist nicht drin.”

Dieses Zitat kann einen, diesen ganz besonderen Menschen, kaum besser beschreiben und seine innere Einstellung, seine Lebensphilosophie besser verdeutlichen. Seine Aufrichtigkeit, Bodenständigkeit und seinen Realitätssinn könnte kein Biographie besser erklären.

Eigentlich müsste hier unsere Nachruf zu Ende gehen. Nicht so bei Alaton. Ishak Alaton war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, er war Aufklärer, ein Mahner, einer, der zum Denken anregte. Immer, wenn man gedacht hat “ach schon wieder so ein reicher Schnösel”, kam er mit seinen Einwänden und seinen revolutionären Lösungensansätzen. Ach ja, eine Biographie über ihn wurde gibt es auch, geschrieben von Mehmet Gündem mit dem Titel “Der notwendige Mann”. Alaton ergänzte das später mit seinem eigenen Buch “Der überflüssige Mann”.

Dazu später mehr. Wir gehen zunächst zu seinen Wurzeln.
Ishak Alaton wurde 1927 in Istanbul geboren. Er besuchte das renommierte französische St. Michel-Gymnasium im Bezirk Şişli, eine damals von französischen Geistlichen geführte Schule. Alaton stammte aus einfachen Verhältnissen und seine jungen Jahre in der jungen türkischen Republik waren eher von Entbehrungen geprägt. Er verließ das Gymnasium ohne Abschluss, da sein Vater Hayim Alaton in diesen “grauen Zeiten”, wie Alaton sie nannte, die damals übliche “Existenzsteuer” nicht entrichten konnte. Die Familie war eine von 5.000 Nichtmuslimen, die von Şişli zum Arbeitslager von Aşkale in Anatolien gebracht wurden.

Die Existenzsteuer war ursprünglich für alle Bürger vorgesehen, um die Wirtschaft anzukurbeln. In geheimen Sitzungen wurde sie jedoch zu einer Steuer instrumentalisiert, die nur von Nicht-Muslimen entrichtet werden musste. Damals, in den 1940er Jahren machten in Istanbul antisemitische Gerüchte die Runde und in der Presse erschienen Berichte über “Schwarzmarkt-Juden, Zinseintreiber, Glücksspieler-Juden”, so dass diese absichtlich erzeugte antisemitische Stimmung für diese Ungerechtigkeit und für die Verarmung mancher Nicht-Muslime sorgte. Dies betraf vor allem die Juden. Die “Existenzsteuer” machte Hayim Alaton zu einem gebrochenen Mann und trotzdem liebte er sein Land. Um die Steuerschulden zu bezahlen, mussten sie in einem Arbeitslager im ostanatolischen Aşkale in einem Steinbruch arbeiten. Außerdem musste die Familie all ihr Hab und Gut für diese “Steuerschuld” hergeben. Sein Bruder wird später das Land resigniert mit den Worten “verflucht sei dieses Land” verlassen und die Kontakte zu ihm nur spärlich aufrechthalten.

Zurück in Istanbul arbeitete Alaton in jungen Jahren beim Volvo-Händler Mehmet Kavala als “Bote für alles”. Hier nutzt er den Kontakt zum schwedischen Konsulat, um eine Wendung in seinem jungen Leben herbeizuführen. Der Konsul setzte sich für ihn ein und er fängt bei einer Lokomotivfabrik in Schweden als angelernter Schweißer an. Später macht er in der Abendschule eine Ausbildung zum Technischen Zeichner.
Schweden hatte ihn sehr beeindruckt und er stufte dieses Land wegen seiner Sozialleistungen und wegen seiner Gleichberechtigung als “perfekt” ein. Eine neue Welt eröffnete sich ihm als er damals die Jungsozialisten in Schweden kennenlernte. Schulungen bei den schwedischen Jusos bezeichnet er später als “wertvolles Gepäck fürs ganze Leben”.

In einem Interview mit der türkischen Tageszeitung “Star” im Jahre 2000 sagte Alaton “es gehörte schon Mut dazu sich in den 50er Jahren zur Sozialdemokratie zu bekennen.”

Mit 28 Jahren kehrte Alaton, der 1958 die Schwedin Margarete von Proschek heiratete, in die Türkei zurück und machte sich mit einem der Opfer der Existenzsteuer, Üzeyir Garih, selbständig und beide legten damit den Grundstein ihres heutigen Unternehmensimperiums, in einem kleinen Büro in der Bankenstraße in Karaköy.

Die jüdische Gemeinde in der Türkei, einstmals 100.000 Menschen (heute gerade einmal 22.000!), die vornehmlich in Istanbul und in Izmir lebte, gehört den sephardischen Juden an. Die Sepharden sind eine von Iberischen Halbinsel geflohene Gruppe von Juden, die eine neue Heimat im Osmanischen Reich fanden. Nach den Pogromen von Sevilla 1391 veranlasste der Sultan, das die Sepharden ins Osmanische Reich gebracht wurden und schickte zu diesem Zwecke seine Schiffe nach Spanien. Die meisten Sepharden, wie auch die Familie Alaton, siedelten sich in Saloniki im heutigen Griechenland an, das damals “kleines Jerusalem” genannt wurde. Während des Zweiten Weltkrieges flohen die Sepharden wieder, diesmal nach Konstantinopel. Die Wehrmacht saß ihnen im Nacken.

Alaton und sein Partner gründeten eine Firma und montierten in den ersten Jahren Heizungen in Istanbul. Damit war der Startschuss für eines der bekanntesten türkischen Technologieunternehmens gegeben.

Heute hat das Unternehmen mehrere tausend Mitarbeiter auf drei Kontinenten und ist neben Klimatechnik, Energie, Inftrastruktur und Bau auch im Tourismus tätig. Alaton ist Gründer mehrerer sozialer Stiftungen und war in den Jahren 1998-2012 Honorarkonsul von Südafrika in Istanbul. Er ist Träger des “Nordstern erster Klasse” von Schweden und des “Königlich spanischen Zivilordens”.

Alaton wurde mal gefragt, wo er seine Heimat sah, in Israel oder der Türkei. Er sagte wie aus der Pistole geschossen “Natürlich in der Türkei”. Die Liebe zu seiner Heimat erbte er von seinem Vater. Diese Heimtliebe bedeutet für ihn, den rastlosen Weltverbesserer, ständig das Vorhandene infrage zu stellen und Lösungsansätze anzubieten.

Zu den größten Niederlagen in seinen Leben wird er es später rechnen, dass er es nicht geschafft hat die Sozialdemokratie nach schwedischer Prägung in die Türkei zu bringen. Sein Partner Dr. Üzeyir Garih wird ihn immer wieder daran erinnern, sich nicht in die Politik einzumischen, sondern sich auf sein Unternehmertum zu konzentrieren. Er weiß, das Garih Recht hatte. Jedoch konnte er sich nicht bremsen. Jahrzehntelang setzte er sich für die Kumpels in den türkischen Bergwerken am Schwarzmeer ein.

Vor etwa 30 Jahren reist er in die Gegend und nimmt dort an einer Versammlung der Gewerkschaften mit dem Kumpels teil. Als er das Mikrofon nimmt, wird er von tausenden Menschen ausgebuht. Er ist Repräsentant des Großkapitals. Plötzlich schreit er ins Mikrofon “Ruheeeeee!”. Alle sind plötzlich still. “Ihr seid Dumm. Wie könnt ihr für so wenig Geld unter Tage gehen und dort Euer Leben riskieren? Seid ihr verrückt?”

Die Türkei hat sehr hohe Unfallzahlen unter Tage. Der türkische Bergbau hängt am Tropf des Staates und wird stark subventioniert. Alaton schlägt vor die Bergwerke dichtzumachen und die Menschen umzuschulen. “Lasst uns hier am Schwarzen Meer Fischfarmen gründen und wir züchten Fische.” Und an die Arbeiter direkt: “Wenn ihr gar nichts tut und zu Hause sitzt und euer Gehalt wird euch jeden Monat überwiesen – sogar dann ist das Ganze billiger als jetzt, wo Ihr unter großer Gefahr einfahrt und täglich 10 Stunden arbeitet”. (…)

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