Die „Aschkali“: Das seltsame Volk auf dem Balkan  

Dezember 13, 2016 – 13 Kislev 5777
In Aschkelon zu Hause?

Von Edgar Seibel

Es ist die Geschichte eines der breiten Masse kaum bekannten Phänomens. Eine alteingesessene Volksgruppe auf dem Balkan ist der festen Überzeugung, dass ihr Stamm ursprünglich in Aschkelon ansässig gewesen sei.

Die Rede ist von den „Aschkali“, die bis heute an ihrem beeindruckenden Herkunftsmythos festhalten. In vielen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, und heute auch noch über seine alten Grenzen hinaus, lebt die ethnische Minderheit der Roma und Sinti, die zwar überwiegend dem Islam angehört, aber auch christliche, meist russisch-orthdoxe Gruppen aufweist. Wie es den meisten bekannt sein dürfte, waren auch die Roma und Sinti in der NS-Zeit mörderischen Repressalien unterworfen. Rund 500.000 verloren damals auf grausamste Weise ihr Leben.

Vielen Ethnologen zufolge handelt es sich auch bei den Aschkali um eine Splittergruppe der Roma, deren gemeinsame Vorfahren aus dem mittlelalterlichen Indien, der Region Pandschab, nach Europa gekommen sein sollen. Doch dieser Theorie wollen sich die Aschkali selbst ungern bis gar nicht beugen, und man verweist manchmal darauf, dass auch all die anderen Roma ursprünglich nicht Indien, sondern Ägypten als ihre Urheimat angaben. So sei auch die Bezeichnung „gypsy“ bzw. das serbokroatische „djubzi“ oder das mazedonische „gubzi“ als Anlehnung an „Ä-gypter“ bzw. „E-gipcani“ zu verstehen. Und die Aschkali kannten das Alte Ägypten gut – so sagen sie.

Felsenfest behauptet die Minderheit als Pilger aus der Stadt Aschkelon im heutigen Israel (nach einem Verbleib im alten Ägypten) nach Europa gelangt zu sein. Beweise dafür wollen die Aschkalis auch in der Heiligen Schrift gefunden haben.
Aufgrund des den Roma und Sinti sehr ähnlichen Brauchtumes, so zum Beispiel den gleichen Heiratsregeln, wollen zumindest die westlichen Völkerkundler trotz der eigenen Überzeugung der Minderheit keine „Israeliten“ oder „Alt-Ägypter“, sondern unverändert eine Roma-Gruppe in ihr sehen. Mit den Roma gleichgesetzt, verließen auch einige der Aschkalis während und nach dem Kosovokrieg von 1999 die jugoslawische Heimat. Die Forscher nehmen man, hier habe eine Gruppe von Menschen eine ausgefallene Möglichkeit für sich entdeckt, nicht länger als „Personen zweiter Klasse“ zu gelten. Denn auch heute noch werden die Roma und Sinti diskriminiert und sind auf dem Balkan unbeliebt. Armut und Arbeitslosigkeit plagen die Minderheit in Südosteuropa, und als „Aschkali“ hätte man, so versichern es einige der Minderheit selbst, auf dem Arbeitsmarkt erkennbar bessere Chancen.

Die Volksgruppe selbst ist sich jedenfalls einig darüber, dass sie mit der indischen Herkunftssgeschichte der Roma nichts gemein hat, obwohl es durchaus starke Assimilierungsversuche von deren Seite gibt.

In den 90er Jahren entstand im Kosovo die Demokratische Partei der albanischen „Aschkali“. Und ebenfalls in den 90ern entwickelte sich auch in Mazedonien der Verein der sogenannten „Balkan-Ägypter“. Seit Neuestem gibt es die Organisation „RROGRAEK“, einen gemeinnützigen und aktiven Verein für Frauen der aschkalischen Minderheit im Kosovo.

Die Zahl der Aschkalis beträgt nach einer Volkszählung von 2011 genau 15.436 Personen im Kosovo; rund 25.000 in Albanien; 3.713 in Mazedonien; 2.054 in Montenegro und nur 835 in Serbien. Auch in Griechenland sollen ein paar von ihnen eine neue Heimat gefunden haben, wo sie als „die Ägypter“ bezeichnet werden.

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