Eine mysteriöse Hautkrankheit, vielsprechende Vögel und das Geheimnis des Überlebens bei Katastrophen im Überblick der Wochenabschnitte des Monats April  

April 5, 2019 – 29 Adar II 5779
Goldene Rede

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Auch wenn es im April vier Samstage gibt, so werden im ganzen Monat nur zwei Wochenabschnitte gelesen: „Tazria“ („Sie empfängt“) und „Metzora“ („Aussätziger“). Der Grund dafür ist, dass der erste Tag von Pessach und der achte Tag jeweils auf die Samstage fallen und an den Feiertagen nur die Abschnitte vorgelesen werden, die mit diesen Festen zu tun haben. Jedoch haben auch „Tazria“ und „Metzora“ viel in sich: erstens werden sie normalerweise zusammen an einem Schabbat vorgelesen, zweitens sind es sehr komplizierte und schwer zu lesende Texte. Wir haben aber bereits mehrmals entdeckt, dass auch schwere und spezifische Abschnitte auf jeden Fall spannende Hintergründe und interessante Ideen beinhalten.

Mysteriöse Krankheit

Der Wochenabschnitt „Tazria“ beginnt mit den Gesetzen, die eine Frau nach der Entbindung betreffen und auch mit dem berühmt-berüchtigten Beschneidungsgebot.

Danach beginnt die Thora sehr ausführlich und mit vielen Details die Krankheit „Tzaarat“ (Hautaussatz) zu diskutieren, die man sich ungefähr als Lepra vorstellen kann. Jedoch war das keineswegs die Lepra-Krankheit selbst.

Erstens konnte „Tzaarat“ nicht nur den Menschen, sondern auch die Kleider des Menschen und sogar die Steine des Hauses befallen. Zweitens war sie nicht ansteckend: auch wenn der „Kranke“ die Stadt verlassen musste, konnte er sich mit anderen „Tzaarat-Aussätzigen“ unterhalten. Drittens war der Heilungsprozess sehr seltsam: der betroffene Mensch sollte nicht einen Arzt aufsuchen, sondern einen Kohen (Priester), der die Heilung dann begleitet hat. Erst nach Erfüllung bestimmter Kriterien konnte der Kranke/die Kranke (bzw. Kleider oder Haus) vom Kohen für „gesund“ erklärt werden, einen speziellen Reinigungsprozess durchlaufen und zu seinem gewöhnlichen Leben zurückkehren.

Eins der Hauptsymptome dieser Krankheit war das Aufkommen von bestimmten weißen Flecken auf der Haut (Wajikra 13:3): „Und wenn der Priester das Mal an der Haut des Fleisches sieht, dass die Haare in Weiß verwandelt sind und das Ansehen an dem Ort tiefer ist denn die andere Haut seines Fleisches, so ist‘s gewiss der Aussatz. Darum soll ihn der Priester besehen und für unrein urteilen“.

Während die komischen Flecken als Quelle ritueller Unreinheit noch durchaus nachvollziehbar sind, so stellt der folgende Vers wieder alles auf den Kopf (13:12-13): „Wenn aber der Aussatz blüht in der Haut und bedeckt die ganze Haut, von dem Haupt bis auf die Füße, alles, was dem Priester vor Augen sein mag, wenn dann der Priester besieht und findet, dass der Aussatz das ganze Fleisch bedeckt hat, so soll er denselben rein urteilen, dieweil es alles an ihm in Weiß verwandelt ist; denn er ist rein.“

Komplett weiß von Aussatz

Verblüffend! Wie kann das sein? Ein oder mehrere weiße Flecken auf der Haut machen den Menschen unrein – wenn diese Person jedoch total weiß wird, ohne eine einzige gesunde Stelle, dann wird sie plötzlich als „rein“ befunden!

Das wundert natürlich jeden, der auf diese Stelle stößt, und deshalb geben unsere Weisen mehrere Erklärungen, um dieses Paradoxon zu erklären.

Der berühmte und vielseitige Rabbiner und Schriftsteller Avraham Ibn Esra (1092-1165) vermutet, dass es ein Zeichen dafür ist, dass die Krankheit aus dem Körper heraus ist und sich nur noch auf der Oberfläche befindet, um bald ganz zu verschwinden.

Auch Baal haTurim (Rabbi Jakow Meir ben Ascher) denkt, dass es ein Zeichen ist, dass die Krankheit bald zu Ende geht und man mit diesem besonderen Reinigungsprozess beginnen kann.

Dagegen sieht Rabejnu Bechaja ben Ascher (1263-1340) keine nachvollziehbare Logik in diesem Fall. Er hält das für einen „Gzerat haKatuw“ – eine G”ttliche Verfügung, die keine menschliche Logik in sich hat. So wie die Kaschrut-Gesetze oder das Gebot von der Roten Kuh.

Zeichen der Messianischen Ära

Eine weitere absolut unerwartete Erklärung zu diesem Vers, mit einem absolut anderen Kontext finden wir in einem Midrasch. „Es ist ein Hinweis, dass Maschiach (Erlöser) erst dann kommt, wenn alle Regierungen antireligiös werden“.

Der 7. Ljubawitscher Rebbe (Rabbi Menachem Mendl Schneerson) versucht diesen Midrasch zu entschlüsseln und sieht darin eine wichtige Idee versteckt.

Im Talmud steht, dass es zwei mögliche Szenarien für das Kommen von Maschiach gibt: entweder, wenn es alles sehr schlimm wird (so wie es beim Auszug aus Ägypten der Fall war), oder wenn alles perfekt sein wird und alle Menschen gut und gerecht sein werden.

Deshalb, sagt der Rebbe, zeigt dieser Midrasch über die „ketzerischen“ Regierungen eine interessante Perspektive der Messianischen Epoche: „worst case“ ist, wenn die Regierungen nicht nur säkular sind, sondern sogar antireligiös und das noch nicht mal jemanden stört. Dann ist alles schlimm und es ist höchste Zeit, dass die Welt erlöst wird.

Wenn die Bürger jedoch selbst darauf kommen, dass die Regierungen so schlecht geworden sind, dass der Zustand unerträglich ist, dann hat die Welt die Erlösung aus eigener Kraft verdient. Das ist der Fall, wenn alles gut ist.

Das könnte auch für unser Leben ein stärkender Gedanke sein: manchmal kommen bei uns mehrere Probleme auf einmal zusammen und die Welt sieht plötzlich düster aus. Jedoch, wenn es ganz problematisch wird und man nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, so soll man die Hoffnung nicht verlieren. Die Rettung kann ganz nah sein, man muss einfach dafür beten, fest an G“ttes Hilfe glauben und sich der Rettung absolut sicher sein. Dann wird diese Rettung auch kommen.

Großes Maul“ konnte krank machen

Im Wochenabschnitt „Metzora“, der thematisch die direkte Fortsetzung von „Tazria“ darstellt, wird das Reinigungsritual des Tzaarat-Kranken beschrieben.

Jedoch stellt sich die Frage, wie man eine so komische und mysteriöse Erkrankung überhaupt bekommt!

Laut unserer Weisen war Tzaarat in früheren Zeiten eine himmlische Strafe fürs Gerüchte-Verbreiten und üble Nachrede. Deshalb musste der Aussätzige die Stadt verlassen und draußen leben bis diese Plage ihn verlassen hat.

Das berühmteste Beispiel für eine solche Strafe ist Miriam, die Schwester von Mosche Rabejnu. Trotz ihrer großen Verdienste um das jüdische Volk musste sie, nachdem sie mit besten Absichten unpassend über ihren großen Bruder gesprochen hatte, für sieben Tage das jüdischen Zeltlager verlassen und diese in der Wüste verbringen. Diese Geschichte, die wir im Buch „Bemidbar“ noch lesen werden, ist so lehrreich, dass es eins von sechs Ereignissen ist, an die wir uns laut der Thora täglich erinnern sollen.

Zwei Vögel für Metzora (Aussätzigen)

Eine starke Lehre erhielt auch der Metzora, als er sich nach seiner Heilung von Tzaarat, einem aufwändigen Reinigungsprozess unterziehen sollte.

Unter anderem sollte er dafür zwei Vögel opfern (14:4): „…und soll gebieten dem, der zu reinigen ist, dass er zwei lebendige Vögel nehme, die da rein sind, und Zedernholz und scharlachfarbene Wolle und Isop.“

Der Kommentator Raschi gibt uns basierend auf der Aussage unserer Weisen im Talmud (Arachin 16b) die Idee, die diese Person daraus entnehmen sollte: „Weil die Aussatzschäden wegen böser Rede kommen, das Werk geflüsterter Worte sind, darum sind zu seiner Reinigung Vögel nötig, die auch immer mit zwitschernder Stimme erzählen“.

Jedoch stellt sich die Frage, warum der Gereinigte ausgerechnet zwei Vögel opfern soll? Auch ein Vogel hätte gereicht, um ihn die Wichtigkeit des Schweigens zu lehren.

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