Von Prof. Dr. empfohlen: Vergleichgültigung und mürrische Indifferenz  

August 5, 2016 – 1 Av 5776
Gefühlter Terror in Nizza

Von Henryk M. Broder

Am 15.7. berichteten die „Tagesthemen“ zuerst kurz über die Lage in der Türkei und dann ausführlich über den Anschlag in Nizza. „Wir fragen nach bei Philipp Glitz in Paris“, hub Caren Miosga an, „war das nun wirklich ein Akt des Terrors, gar des islamistischen Terrors, so zumindest hat es der Premiereminister heute erklärt.“ Worauf der ARD-Mann in Paris antwortete: „Ja, für viele Menschen hier in Franreich fühlte es sich genauso an.“

Dieser grandiose Einstieg in eine schwierige Materie wird bestimmt mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet werden. Man muss in einem solchen Fall alle Optionen sorgfältig abwägen. Der Unfall an der Promenade von Nizza, bei dem mindestens 84 Menschen getötet und viel mehr verletzt wurden, muss nicht ein Akt des Terrors, schon gar nicht ein Akt des islamistischen Terrors gewesen sein. Schon möglich, dass ein Fahrschüler die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und dabei Gas und Bremse verwechselt hat. Denkbar auch, dass ein christlicher slowakischer Pfadfinder sich über irgendetwas dermaßen geärgert hatte, dass er einen abgestellten Lastwagen kidnappte, weil grade kein PKW zur Verfügung stand, um mit ihm nach Bratislava zu rauschen. Und falls es doch ein Akt des Terrors war, spricht gegen die Annahme eines islamistischen Terrors, dass der Fahrer kein Schild an die Windschutzscheibe geklemmt hatte, auf dem hätte stehen müssen: „Im Auftrag des IS“. Das muss alles bedacht werden.

Es „fühlte sich wie Terror an“, muss aber keiner gewesen sein
Deswegen fühlte sich das, was in Nizza passiert war, wie Terror an, es muss aber nicht Terror gewesen sein. Da hat der junge Mann schon recht. Und sollte es ihm passieren, dass er beim Shoppen von einem Laster platt gemacht wird, wird sein letzter Gedanke sein: „Es fühlt sich wie Terror an, aber es könnte auch etwas anderes sein...“

Was es sein könnte, dem versuchte anschließend der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Herfried Münkler auf die Spur zu kommen, nämlich eine „Strategie, die zwischen Krieg und Frieden angesiedelt“ ist, also weder Krieg noch Frieden; es sei aber „politisch klug, wenn man nicht von Krieg spricht“. Vielmehr sei es naheliegend zu sagen: „Wir reagieren nicht unmittelbar und unter dem Eindruck des Einschlages, sondern nehmen uns einen Augenblick Zeit und analysieren und versuchen zu vermeiden, genau die Reaktionen zu zeigen, welche die andere Seite provozieren will.“ Als „angemessene Reaktionsweise“ empfehle er „mürrische Indifferenz“, denn „wir erleben immer wieder Unfälle und Unglücke und werden damit fertig und führen unser Leben weiter“. (…)

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