Die Anschläge beweisen die Erfolglosigkeit der Integration  

Februar 8, 2016 – 29 Shevat 5776
„Er trägt doch sogar einen Anzug!“

Von Karl Pfeifer



Tausende von jungen Europäern haben Europa verlassen, um am Dschihad des Islamischen Staates in Syrien und im Irak teilzunehmen, Europäer begehen Massenmorde wie am 13. November 2015 in Paris und noch immer gibt es Politiker und Journalisten, die beteuern, das hätte nichts mit dem Islam zu tun. Nur zögerlich unterstützen die betroffenen Staaten Organisationen, die sich der Deradikalisierung von jungen europäischen Muslimen widmen. Denn es widerspricht der von Politikern und Journalisten bislang behaupteten erfolgreichen Integration von Einwanderern und Flüchtlingen aus islamischen Ländern.

Tatsächlich wurden ab den 1960er Jahren zum ersten Mal in der Geschichte Gastarbeiter in Europa arbeits- und sozialrechtlich gleichgestellt, erhielten Tariflohn, Arbeitslosengeld, Kinder- und Wohnbeihilfe und ärztliche Betreuung. Doch während in früheren Zeiten die Integration von Einwanderern mehr oder weniger funktionierte und es in der zweiten und dritten Generation keine besonderen Probleme gab, ist dort, wo es in Europa eine größere Anzahl von muslimischen Migranten in Großstädten gibt, eine Parallelgesellschaft entstanden mit einer hohen Zahl von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Die Bildungsferne von Eltern setzt sich in der Regel bei der in Europa geborenen zweiten manchmal auch dritten Generation fort, die oft genug nicht der Staatssprache mächtig ist und den Schulbesuch frühzeitig abbricht. So entstanden zum Beispiel in Frankreich die „verlorenen Gebiete der Republik“, in denen die Werte der Demokratie verachtet werden. Ehepartner werden gerade von der zweiten und dritten Generation sehr oft aus der Heimat der Eltern bzw. Großeltern geholt, was der Integration widerspricht.

Ende 2015 erschienen zwei Bücher zum Thema Dschihadismus und Kampf gegen religiösen Extremismus, das eine geschrieben von einem Psychologen und Praktiker der Deradikalisierung, das andere von einem Politikwissenschaftler, der sich auch seit Jahren damit befasst.
Ahmad Mansour setzt sich in seinem im S. Fischer Verlag 2015 erschienenem Buch „Generation Allah, warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen“ mit dem in Deutschland grassierenden Islamismus schonungslos auseinander. Im ersten Kapitel schildert er seinen eigenen Werdegang. In Israel als Sohn einer armen muslimischen arabischen Familie in Tira südlich von Haifa aufgewachsen, wird er von Moslembrüdern gefördert und macht seine Erfahrung mit dieser auch in Europa sehr aktiven islamistischen Bewegung in der Koranschule. Doch er wird nach seiner erfolgreich bestandenen Reifeprüfung von der Universität Tel Aviv aufgenommen und erhält eine Unterkunft gemeinsam mit zwei arabisch-christlichen Studenten im Studentenheim in Tel Aviv und lernt dadurch eine andere Perspektive kennen. Mansour begann Psychologie zu studieren: „Fast alle meine Professoren und Kommilitonen waren Juden. Es gab in meinem Jahrgang keinen Muslim außer mir. Trifft man mit Menschen zusammen, die man lange Jahre abstrakt als Feindbild mit sich herumgetragen hat, dann lösen sich diese Bilder zum Glücksehr schnell auf – sofern man Gutes von ihnen erfährt und seinerseits bereit ist auf sie zuzugehen.“

Sozialer Druck der Familie zu heiraten, die Intifada und der Wunsch nicht dem Terror zum Opfer zu fallen, bewegen Mansour dazu seine Studien in Deutschland fortzusetzen. Schockiert muss er feststellen, dass er in Deutschland auf dieselben Konflikte traf, wie er sie aus seiner Heimat kannte.

Er fand sehr bald eine Arbeit bei „HEROES“ einem Berliner Projekt für Jugendliche mit Migrationshintergrund, das sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzt.
Im zweiten Kapitel „Radikale Verführung“ beschreibt er Fälle von Radikalisierung und geht auf die Ursachen der Radikalisierung ein: „Radikaler Islamismus lässt sich nicht auf eine bestimmte Form von Jugendkultur reduzieren. Diese Perspektive vereinfacht das Phänomen und ignoriert eine Vielzahl seiner Ursachen. Es geht dabei ja keineswegs nur um eine Modeerscheinung, auch wenn der Islamismus durchaus Aspekte einer Jugendkultur aufweist und diese beim Ködern von jungen Leuten eine Rolle spielen… Der zweite prominente und verbreitete Erklärungsansatz sieht im Islamismus die Folge einer Erfahrung von Diskriminierung und Rassismus der Jugendlichen. Damit wäre deren Radikalisierung einzig das Produkt gescheiterter Integration. Würde es ihnen hierzulande besser gehen, hätten sie mehr Chancen, ein besseres Auskommen, Ausbildung, Beruf und Anerkennung, und das Phänomen würde verschwinden.“

Mansour leugnet nicht Diskriminierung und Rassismus im Alltag, aber „als alleiniger Auslöser für die Radikalisierung taugt die Diskriminierung nicht, so wie uns monokausale Erklärungen hier generell nicht voranbringen.“
Denn „Islamisten gab und gibt es auch unter durchaus erfolgreichen, anerkannten Muslimen, auch unter Leuten ohne jeden religiösen oder migrantischen Hintergrund. Keineswegs sind es nur die sprichwörtlichen ‚Loser‘, die sich dem Islamismus zuwenden. An den Universitäten, unter Abiturienten und Studenten finden sich viele, bei denen die Ideologie inzwischen tief sitzt und immer mehr an Bedeutung gewinnt.“ Mansour geht auch auf die psychische Faktoren ein, auf das fehlende Urvertrauen, das Schamgefühl und das Über-Ich – die auch der Psychologe Peter Conzen in seinem Buch über Fanatismus beleuchtet.

Mansour schreibt: „Dem Antisemitismus begegne ich in islamischen Kontexten überall. Er ist Alltag und scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Man findet ihn unter Jugendlichen, in deren Familien, auf Schulhöfen, in den Klassenzimmern, in Predigten in Moscheen, auf Facebook-Seiten, in Chatrooms und Internet-Foren, auf arabischen, iranischen und türkischen Satellitensendern. Wo es zu tatsächlichen Übergriffen kommt, wird dieser Antisemitismus meist juristisch geahndet. Das alltägliche, verbale Phänomen wird aber bagatellisiert oder vertuscht, sowohl von Politikern als auch innerhalb muslimischer Communities.“

Im dritten Kapitel bringt es der Autor auf den Punkt: „Seit Jahren verschärft sich das Problem der Radikalisierung von Jugendlichen, kontinuierlich steigt die Anzahl derer, die nach Syrien oder in den Irak ausreisen. Parallel dazu werden es immer mehr, die wir zur Generation Allah zählen müssen, während zunehmend das Konfliktpotential eines religiösen Fundamentalismus in die Gesellschaft, vor allem in die Schulen getragen wird. Wer hinschaut, der erkennt, wie sich die Lage zuspitzt, die Konflikte zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zunehmen, die Reibereien innerhalb muslimischer Strömungen extremer werden, und etwa Alewiten häufig nicht mehr wagen, sich offen zu ihrer Religion zu bekennen.“ (...)

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