Russlands Groll lässt Erdogan nach Freunden suchen  

Januar 4, 2016 – 23 Tevet 5776
Die Türkei klopft wieder bei Israel an

Von Sean Savage

Delegierte aus Israel und derTürkeihaben sich kürzlich in der Schweiz getroffen, um eine Vereinbarung auszuhandeln, um ihre diplomatischen Beziehungen zu normalisieren.

Berichten zufolge trafen sich der neue Mossad-Chef Yossi Cohen und Joseph Ciechanover, ein enger Berater von Benjamin Netanjahu in Türkei-Fragen, mit dem türkischen Spitzendiplomaten FeridunSinirlioglu in Genf zum Gespräch.

Nach einer Verlautbarung des Büros des israelischen Premierministers einigten sich beide Seiten darauf, dass Israel einen Entschädigungs-Fond einrichten würde, um die Familien der neun Türken zu bezahlen, die 2010 an Bord der „Mavi Marmara“ getötet wurden, nachdem die Bootsbesatzung die Durchfahrt nach Gaza gewaltsam erzwingen wollte. Die Türkei wird weiterhin keine Ansprüche stellen und die Botschafter werden in die beiden Länder zurückkehren.

Dem Hamas-Terroristenführer Salah al-Arouri, den Israel hinter der Entführung und der Ermordung von drei jüdischen Jugendlichen in GuschEtzion im Juni 2014 vermutet, ist es nicht länger erlaubt in der Türkei zu wohnen. Außerdem werden die beiden Länder Gespräche über eine Gaspipeline beginnen und den Verkauf von israelischem gas an die Türkei.

„Diese Berichte sind natürlich ermutigend, aber wenn wir die falschen Wiederversöhnungsversuche der Vergangenheit ansehen, zögere ich, dem Ganzen zu viel Glauben zu schenken bevor ein richtiger Vertrag unterzeichnet ist“, sagte Michael Koplow vom„Israel Policy Forum“-Think Tank im Interview mit JNS.org.

Die türkisch-israelischen Beziehungen brachen zusammen nach dem Gazaflottillen-Zwischenfall von 2010, bei dem israelische Soldaten die „Mavi Marmara“ enterten, weil diese die Seeblockade gegen Gaza brechen wollte.

Nachdem türkische Militante die israelischen Soldaten angriffen, wurden von letzteren neun türkische Bürger getötet. 2013 entschuldigte sich Netanjahu auf Drängen Obamas hin telefonisch bei Erdogan für den Zwischenfall.

Israel und die Türkei waren schon einmal kurz davor ihre Beziehungen zu normalisieren. Im April 2014 kündigte Erdogan an, dass „innerhalb weniger Wochen“ ein neues Abkommen unterzeichnet würde. Doch kurz danach begann Israels „Unternehmen Schutzrand“ in Gaza, den türkische Stellen heftigst verurteilten.

Bald darauf, während der UNO-Klimakonferenz in Paris, erzählte Erdogan einem israelischen Reporter, dass er glaube, dass es möglich sei, die Beziehungen wieder zu reparieren.

Die Türkei hat mit einer ganzen Menge geopolitischer Herausforderungen zu kämpfen:Die Spannungen mit Russland wegen des Abschusses des russischen Kampfflugzeuges im November, die fortlaufende Destabilisierung Syriens und die Bedrohung durch den „Islamischen Staat“. Das alles mag die Türkei dazu getrieben haben, die Beziehungen zum Judenstaat wieder aufzuwärmen.

„Ich denke, Bewegung ist vor allem deswegen in die Beziehungen gekommen,weil alte Faktoren – Syrien und Energie – wieder akuter werden. Beide Seiten bewegen sich deshalb. Aber selbst, wenn ein Abkommen unterzeichnet wird, dann müssen wir noch viele unangenehme Geschichten der allerjüngsten Vergangenheit überwinden. Ich würde erwarten, dass man sich wirtschaftlich schneller wieder nahekommt als politisch oder in Sicherheitsfragen, besonders wenn man bedenkt wie hoch das gemeinsame Handelsvolumen momentan schon ist“, sagte Koplow JNS.org weiter.

In der Tat: Trotz des politischen Zerwürfnisses liegt das jährliche Handelsvolumen zwischen Israel und der Türkei bei robusten 4 Milliarden US-Dollar.

Dennoch ist Erdogan bekannt für seine Feindschaft gegenüber Israel, seine Unterstützung der Hamas und seinen Antisemitismus.

Während der türkischen Parlamentswahlen, bei denen seine AKP die erhoffte Mehrheit verfehlte (obwohl dieses Ergebnis im November durch Neuwahlen revidiert wurde)schimpfte er auf die ausländische Presse für deren Kritik und ließ antisemitischen Verschwörungstheorien freien Lauf.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung sagte er, dass „jüdisches Kapital“ die „New York Times” bezahle unddie Führer der Türkei schon immer kritisiere, angefangen bei den osmanischen Sultanen.
„Es ist klar, wer ihre Chefs sind. Es steckt jüdisches Kapital dahinter, unglücklicherweise,“ sagte Erdogan damals.

All die Zeit dürfte die TürkeiDruck zu spüren mittels Israels Einfluss bei den Rivalen der Türkei, Griechenland und Zypern. Der jüdische Staat wird an einem Kongress im zypriotischen Nikosia über Gas, Sicherheit und regionale Politik teilnehmen. Es gibt Schritte der Annäherung, aber die Jahre der Feindschaft Erdogans und seiner islamistischen Regierung stören das Bild.

„Alles in allem ist es keine Frage, dass Versöhnung eine gute Entwicklung ist. Es liegt auf der Hand, dass das die Folge des russischen Engagements in Syrien und all der Komplikationen ist, die daraus für die Türkei erwuchsen. Aber es ist auch wichtig zu verstehen, dass die Beziehungen der 90er nicht mehr zurückkommen werden“, so Koplow.

(Zuerstveröffentlicht auf englisch von JNS.org, deutsche Übersetzung von „Jüdische Rundschau“)

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