Dezember 4, 2015 – 22 Kislev 5776
Die DITIB und die Juden

Von Nikoline Hansen

Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.“ (türkisch „Diyanet İşleri Türk İslam Birliği” kurz: DITIB) ist ein in Deutschland aktiver Verein, der direkt dem türkischen Staat unterstellt ist. Als solcher versteht er sich in Deutschland federführend als Ansprechpartner in religiösen Dingen für die aus der Türkei nach Deutschland eingewanderten Menschen sowie insbesondere auch für die in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger.

Diese Zentralisierung bietet Chancen und Risiken – immerhin geht es darum zu verstehen, weshalb der Islam in Deutschland inzwischen soweit Fuß gefasst hat, dass er zu einem Politikum wurde und es geht darum, eine Form des Zusammenlebens zu finden, die mit unseren freiheitlichen demokratischen Grund- und Menschenrechten, die Religionsfreiheit einschließen, vereinbar ist. Es geht also auch um das Aushandeln der Inhalte, die vermittelt werden. Und es geht, wie schon im 18. Jahrhundert in Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“, um Toleranz und Miteinander. Soweit die Theorie.

Die offizielle Webseite der DITIB (www.ditib.de) gibt sich daher auch fast schon anbiedernd staats- und grundgesetzkonform. Man verurteilt die Anschläge in Paris, man verurteilt den Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal, man weist allerdings auch auf vermeintliche Missstände und Diskriminierungen hin, es gibt einen Hinweis zur Organisation der islamischen Wohlfahrtspflege und eine Pressemeldung vom 27. Oktober 2015 mit dem Titel „Muslimische Jugend - friedliche Zukunft“.

Unter der Überschrift „Gerechtigkeit und Menschenrechte im Islam“ unternimmt diese offizielle Webseite der DITIB auch eine Interpretation des Koran: „Allah ist Einer und euer Stammvater (Adam) ist einer. Ein Araber ist nicht besser als ein Nicht-Araber, und ein Nicht-Araber ist nicht besser als ein Araber, und ein roter Mensch ist nicht besser als ein schwarzer Mensch und ein schwarzer Mensch ist nicht besser als ein roter Mensch...“ und weiter: „Die Gerechtigkeit wird unerlässliches befohlen: „...Und der Hass gegen eine Gruppe soll euch nicht (dazu) verleiten, anders als gerecht zu handeln. Seid gerecht, das ist der Gottesfurcht näher... (Koran, 5:8)“

Soweit zur offiziellen deutschsprachigen Information, offensichtlich an die deutsche Öffentlichkeit gerichtet, und soweit die Theorie. Wie sieht es aber auf der anderen Seite aus? Und – auch noch einmal vorsichtig gefragt, was bedeutet in dieser religiösen Auslegung eigentlich „gerecht“?

Dass nicht nur in der arabischen Welt sondern auch in der durch Mustafa Kemal Atatürk bewusst laizistisch geprägten Türkei – bis heute ist der 1937 zum Staatsprinzip erklärte Laizismus in der Türkei Verfassungswirklichkeit – im Namen des Islam Menschen ausgegrenzt und verfolgt werden, die sich nicht zum Islam bekennen, zeigt nicht nur die Behandlung der Christen in der Türkei, sondern auch die der Juden, die zunehmend antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt sind und bereits seit Jahren kontinuierlich die Türkei verlassen . Zugespitzt hatte sich die Lage spätestens mit der federführenden Beteiligung der Türkei am „Ship-to-Gaza-Konvoi“ mit der „Marvi Marmara“ im Mai 2010 und dem ebenfalls 2010 produzierten türkischen Propagandafilm „Tal der Wölfe Palästina“, der am 27. Januar 2011 seine Deutschlandpremiere hatte – ein Datum, das sicher nicht von ungefähr gewählt war, da es der seit 1996 in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich verankerte Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist. Die Aufführung des Films führte zu Protesten, da es sich um einen perfiden anti-israelischen Propagandafilm handelt, der dazu geeignet ist, Hass gegen Israel und alle Juden zu schüren, die sich Israel verbunden fühlen.
Seither waren die türkischen Versuche der anti-israelischen Stimmungsmache in Deutschland zumindest offiziell nicht mehr besonders laut zu hören, wenn sie auch ganz sicher nicht verstummt waren. So ist es also nicht verwunderlich, dass ausgerechnet in einer mittelalterlichen hessischen Kleinstadt auf der Webseite des ortsansässigen DITIB-Verbands unter der Überschrift „Yahudiler“ (zu Deutsch „Juden“) eine Aufzählung veröffentlicht wurde, in der Juden 30 nicht gerade freundliche Attribute zugeordnet werden.

So heißt es dort unter anderem: „Die Juden predigen Gutes, aber hören nicht auf Böses zu tun.“ „Die Juden sind gemein/niederträchtig.“ „Juden sind geizig.“ und „Juden brechen Versprechen/Verträge.“ – Aufzählungen aus der Koran Sure al-Ma'ida, Vers 78. Im Internet gibt es reichlich Zeugnis darüber, welche Eigenschaften die „Kinder Israel, die ungläubig waren mit David und Jesus“ aus Sicht einer bestimmten islamischen Ausrichtung prägen. Dass diese volksverhetzenden, aus dem Mittelalter stammenden Zuschreibungen aber im Jahr 2015 ausgerechnet auf einer Seite der deutschen DITIB verbreitet werden, einer mit dem türkischen Staat und auch der AKP eng verbundenen islamischen Gemeinschaft, die sich darum bemüht, in Deutschland offiziell als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden und die darauf ausgerichtet den Dialog mit der deutschen Politik führt, ist ein Skandal. Er zeugt davon, dass man sich mit dieser Art von Aussagen mittlerweile auf der sicheren Seite wägt – sei es, weil man meint, dass türkischsprachige Texte in Deutschland nicht interessieren, sei es, weil Antisemitismus in gewissen Kreisen zum guten Ton zu gehören scheint. (…)

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