Im Brüsseler Stadtteil Molenbeek konnten Islamisten jahrelang ungestört Mitglieder rekrutieren und Terroranschläge planen  

Dezember 4, 2015 – 22 Kislev 5776
Die Brutstätte

Von Jerome Lombard

Molenbeek- Saint Jean. Der Name dieses Stadtviertels der belgischen Hauptstadt klingt eigentlich ganz idyllisch. Mühlenbach. Doch gibt es hier heutzutage weder eine Mühle, noch einen Bach. Und auch von Idylle ist weit und breit keine Spur. Molenbeek: Das ist eine kleine, dichtbesiedelte Gemeinde mit rund 100.000 Einwohnern westlich des Brüsseler Stadtzentrums und eine der insgesamt 19 autonomen Kommunen in der französisch-flämischsprachigen Großraumregion Brüssel-Hauptstadt.

Molenbeek: Das ist ein sozialer Brennpunkt. Die Arbeitslosigkeit und die Kriminalitätsrate sind hoch. Die Perspektiven gering. Ein von Migranten geprägter Stadtteil. Gut 40 Prozent der Einwohner sind Muslime und stammen vor allem aus Marokko, Syrien und dem Irak. Arabisch und Berberisch sind Verkehrssprachen. Der Bezirk mit seinen Wohnplatten und Apartmentblocks ist ein Paradebeispiel für eine gescheiterte Integrationspolitik und eine neben der Mehrheitsgesellschaft existierende Parallelgesellschaft, in der ganz eigene Regeln gelten. Das Viertel ist eine No-Go-Area für Menschen nicht-muslimischen Glaubens. Hier eine Kippa offen zu tragen und sich als Jude zu erkennen zu geben, ist eine Gefahr für Leib und Leben.

Molenbeek: Dieser Name geisterte ab Mitte November durch die internationalen Medien. Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Paris, bei denen islamistische Attentäter in einer koordinierten Attacke 130 Menschen kaltblütig ermordeten. Die Spur der französischen Ermittler führte schnell ins nördliche Nachbarland Belgien und speziell nach Molenbeek. Mindestens drei der insgesamt neun Attentäter aus Paris stammen aus dem Viertel bzw. haben längere Zeit dort gelebt. Der als Mastermind und Organisator der Anschläge geltende Dschihadist, Abdelhamid Abaaoud, der sich in Syrien von der Terrorbande „Islamischer Staat“ (IS) ausbilden ließ und fünf Tage nach den Angriffen bei einem Anti-Terror-Einsatz der Polizei im Pariser Vorort Saint Denis erschossen wurde, war gebürtig aus Molenbeek.

Schon unmittelbar nach den Anschlägen von Paris blickten die Ermittlungsbehörden nach Belgien. Das lag zum einen an knallharten Indizien. So hatte die Polizei vor dem Konzertsaal Bataclan, in dem die Attentäter 89 Menschen töteten, einen in Belgien registrierten Mietwagen sichergestellt. Im Innenraum fand man ein Parkticket, gelöst in Molenbeek. Zudem wohnten zwei Attentäter, die sich vor dem Stade de France in die Luft gesprengt hatten, als französische Staatsbürger mit Wohnsitz in dem Viertel. Zum anderen blickten die Ermittler schnell nach Brüssel, weil Molenbeek seit Jahren als Hochburg der Islamisten bekannt und berüchtigt ist. Immer wieder wurde der Ortsteil in den letzten Jahren im Zusammenhang mit islamistischem Terror genannt.

Viele Spuren der vergangenen Jahre führten immer wieder hierhin
2004: Ein maßgeblicher Drahtzieher der Anschläge auf mehrere Vorortzüge in Madrid, bei denen 191 Menschen aus dem Leben gerissen wurden, kam aus Molenbeek. 2014: Der Terrorist, der im Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen ermordete, lebte einige Zeit in dem Stadtteil. 2015: Der Attentäter, der unmittelbar nach den Anschlägen auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ vier Menschen in einem koscheren Supermarkt in Paris tötete, soll sich hier im Viertel Waffen beschafft haben. Der Islamist, der im August diesen Jahres ein Massaker in dem von Amsterdam nach Paris fahrenden Schnellzug Thalys anrichten wollte und nur durch das heldenhafte Eingreifen dreier zufällig anwesenden amerikanischer Marines gestoppt werden konnte, wohnte unmittelbar vor seiner geplanten Tat in Molenbeek. Und: Zwei Terrorverdächtige, die Anfang des Jahres in der Kleinstadt Verviers im Osten Belgiens bei einer Razzia von Sondereinheiten der Polizei erschossen wurden, waren ebenfalls in besagtem Brüsseler Viertel ortsansässig. Die belgischen Behörden gehen davon aus, dass bis zu 40 junge Männer aus Molenbeek nach Syrien und den Irak ausgereist sind, um sich dort den Dschihadisten anzuschließen. Aus Belgien sollen es insgesamt 500 Personen sein. Das ist, gemessen an den Einwohnern, die höchste Zahl in der gesamten Europäischen Union. Die Verbindungen nach Molenbeek sind also in keinem der Fälle reiner Zufall. Der einstige Arbeiterstadtteil im Westen Brüssels ist zu einer Brutstätte des Islamismus direkt im geographischen Herzen Europas geworden. (…)

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke