Kaum eine deutsche Zeitung will sich dem Sog der Hetze gegen den US-Präsidenten entziehen 

Juni 8, 2018 – 25 Sivan 5778
Deutsche Medien: Trump-Schelte im Rudel

Von Chaim Noll

In meiner Kindheit in Deutschland hatte ich ein Kasperle-Theater mit bunten Figuren, deren geschnitzte Holzköpfe die guten und bösen Kräfte dieser und der kommenden Welt verkörperten: da gab es Narren und Weise, junge Mädchen und alte Hexen, Engel und natürlich einen Teufel. Ich erinnere mich, dass wir solche Puppen auch unseren Kindern geschenkt haben, während sie zur Zeit der Enkel schon aus der Mode waren, endgültig verdrängt von Smartphone und Co., wo alle diese Figuren im Überfluss zu finden sind.

Im Marionettentheater der Medien ist Angela Merkel eine weise Frau, Trump dagegen der Teufel. Diesem Muster folgen nicht nur deutsche Zeitungen, es prägt auch die Trump-Berichterstattung von „New York Times“ oder „HaAretz“, von Medien, die sich selbst als „liberal“ bezeichnen und unter „liberal“ offenbar das Hochkochen von Stimmungen verstehen. Doch deutsche Medien tun sich besonders hervor. Kein Anlass ist nichtig genug, Trump zu verteufeln und zu verhöhnen.

Die „Bild“-Zeitung wusste zum Beispiel am Freitag, 27. April 2018, zu berichten:

„Während andere Ehemänner ihre Frauen an ihrem Geburtstag morgens schon mit duftendem Kaffee wecken, ging Melania leer aus. Denn ihr Donald ist natürlich einfach zu beschäftigt, um seiner Frau etwas Schönes zum Geburtstag zu besorgen (…) Trump schenkte ihr laut CNN nur ‚eine wunderschöne Karte und ein paar wunderschöne Blumen‘ (…) Ob sich Melania vor lauter Dankbarkeit für die ‚wunderschönen Blumen‘ (die Trump wahrscheinlich noch nicht mal selbst besorgt hat) überschlagen hat …?“

Vielen macht das Hetzen Spaß
Eigentlich zum Lachen. Doch das alltägliche Schmähen ist längst zur systematischen Hetze gediehen. Besonders aufregend: Alle sind sich darin einig, diesen Mann herunterzumachen, für geistig beschränkt oder „unberechenbar“ zu erklären, zu ridikülisieren, zu dämonisieren. Man fühlt sich stark in der Meute. Keine einzige deutsche Zeitung kann sich dem Sog des neuen Spiels entziehen. Vielen macht das Hetzen Spaß, es kann zur Gewohnheit werden, zur Sucht. Die sonst zunehmend braven Schreiber dürfen hier endlich einmal zeigen, wozu sie an Hohn und Häme fähig sind. Die Frage drängt sich auf, ob darin die Aufgabe der Medien besteht. Sollten sie nicht eigentlich Information übermitteln?

Natürlich ist „Bild“ an diesem Tag nicht die einzige deutsche Zeitung, die Trump schmäht. Die FAZ nennt ihn einen 

„egozentrischen, unerfahrenen, mitunter rassistischen Immobilienmakler (...) im Weißen Haus“.

„Stern Online“, am selben Tag, dem 27. April 2018, reiht zum hundertsten Mal die bekannten Skandale aneinander, die nach Spekulation deutscher Journalisten demnächst Trumps Ende als Präsident einleiten sollen: Die sich bisher weitgehend ergebnislos hinschleppende „Russland-Affäre“, die Untersuchungen gegen Michael Cohen, „Trumps langjährigen Anwalt und Ausputzer“, ein Interview mit Fox-News, in dem sich Trump angeblich „um Kopf und Kagen“ geredet hätte. Die „Süddeutsche Zeitung“ liefert am gleichen Tag ein vernichtendes Psychogramm des „Narzissten“ Trump: Er sei „an Eitelkeit nicht zu übertreffen“ und richte

„größten Schaden auf der Welt an, weil er sein Land als glaubwürdigen und verlässlichen Akteur aus dem Spiel genommen hat“.

So geht es Tag für Tag, in allen Spielarten, in einer fast rauschhaften Maßlosigkeit. Eine abgeklärte, neutrale Stimme wird man, was den amerikanischen Präsidenten betrifft, in deutschen Medien vergebens suchen. Die Schreiber scheint es nicht zu langweilen, ihn Tag für Tag aufs neue zu verteufeln. Sie fragen sich auch nicht, ob ihre Schmähungen womöglich kontraproduktiv sind im Sinne deutscher Interessen. Ganze zweieinhalb Stunden billigte Trump der deutschen Kanzlerin zu, ihn im Weißen Haus zu besuchen und ihre Bitten vorzutragen.

Nachdem er andere Besucher demonstrativ mit allen Ehren willkommener Staatsgäste empfangen hatte. Trotz der Zurücksetzung hat sich Angela Merkel alle Mühe gegeben, ihr nettestes Lächeln gezeigt, sogar ein Geschenk mitgebracht – ohne Erfolg.

Trump scheint Deutschland nicht zu mögen. Woran könnte das liegen? Womöglich liest jemand im „Weißen Haus“ deutsche Zeitungen?

Zuerst erschienen bei der „Achse des Guten“

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