Assad und die Seinen strotzen nach der Eroberung Aleppos vor  

März 3, 2017 – 5 Adar 5777
Das völlige außenpolitische Versagen Steinmeiers

Von Michael Guttmann

Die Schlacht ist vorüber, der Krieg bleibt. Dass der Kriegsausgang in Aleppo weitreichende Folgen haben wird, ist klar. Aber welche? Folgen, die zu Frieden führen, ganz gewiss nicht. Ebenso wenig Folgen, die ein Ende des Terrorismus und schon gar nicht den Stop der Flüchtlingsströme bedeuten.

Jetzt wird der verheerende Kampf um Einflusssphären erst recht neuen Schwung bekommen. Aleppo (arabisch Halab), Syriens meistbevölkerte Stadt und eine Metropole der islamischen Kultur wurde durch einen Krieg nach neuen Akzenten zerstört. Es ging nicht um Öl u.a. Naturschätze. Aleppo wird fortan das Brandmal des ideologischen Kampfes um Vorherrschaft von zügellosen Despoten, religiösen Fanatikern und Terrororganisationen im 21. Jahrhundert tragen, und zwar ganz ohne Neokolonialismus und Imperialismus, die von „Nahostexperten“ normalerweise als die Verursacher von Konflikten beschuldigt werden.

Die Fronten laufen entlang von Religionsgrenzen (Schiiten, Sunniten). Die Kontrahenten schließen sich zu Allianzen zusammen, die mit militärischer Gewalt in Konflikten intervenieren. Für Zivilisten ist Aleppo eine Apokalypse wie der totale Kriege aus dem vorigen Jahrhundert.

Schauen wir näher auf die Verhältnisse in der islamischen Welt, auf die Herrschenden, ihre ideologischen Ziele und Methoden, insbesondere auf die Protagonisten des Syrienkriegs, um zu verstehen, was uns erwartet, wenn wir sie weiter gewähren lassen.

Feuertrunken im Siegesrausch
Nach sechs Jahren Krieg in Syrien wähnt sich der Barrel-Bomber von Damaskus als Sieger. Dass er die Oberhand in Aleppo gewann, liegt an der skrupellosen Unterstützung seiner Verbündeten Iran, Russland, Türkei und der libanesischen Hisbollah. Seine Kampflosung an die Opposition „Kapitulation oder Tod“ hat die westliche Demokratie hingenommen. Dementsprechend sahen seine Methoden aus: Kesselringe um Stadtteile, die von internationaler humanitärer Versorgung für Zivilisten abgeschnitten wurden, Fassbomben aus der Luft und Artilleriefeuer, als ginge es um die Einnahme von Militärfestungen. Seine Verbündeten unterstützten diese Strategie mit eigenen Interventionstruppen.

Nach Aleppo werden folgende Verlautbarungen aus dem Umfeld des syrischen Diktators bekannt: „Unser Endsieg in ganz Syrien ist in Sicht. Er wird das Kräfteverhältnis im Nahen Osten und international verändern. Assad wird zum global player avancieren“. (El Vatan).

Boutina Schaaban, Assads politische Beraterin meint: „[ …] die heldenhafte Standhaftigkeit Syriens und die Unterstützung ihrer Verbündeten haben neue Bedingungen in der internationalen Politik geschaffen. Sie werden das Ende des Weltkriegs gegen Syrien einleiten.“

Der Siegestaumel schafft Spekulationen des Assadregimes auf internationalen Einfluss. Neue Gipfel für die orientalische Phantasie werden in der regimenahen syrischen Presse erklommen. El Baath vergleicht den Kampf um Aleppo mit dem Kampf der britischen Armee gegen die Naziwehrmacht und die italienischen Truppen von 1942 bei El Alamein: „Die Welt steht an der Schwelle eines strategischen Wandels, welche das System der alten Bündnisse ändern wird. Der Sieg des syrischen Militärs und seiner Verbündeten in einem dritten Weltkrieg gehen am Horizont auf und wir werden die Früchte des Sieges ernten.“

Die Annäherung von Trump, Marine le Pen u.a. an Putin bestätige Syrien den eigenen Aufstieg in die Siegerriege. Unter der Überschrift „Syrien und der Weg zu Wahlerfolgen“ schreibt El Vatan: „[ …] es ist nun erwiesen, dass Personen, die Präsidentschaftswahlen gewinnen wollen, nicht umhinkommen, die Rolle des syrischen Regimes anzuerkennen. Trumps Erfolg basiert auf Kooperation mit Putin und dessen Unterstützung des Assadregimes. Sarkozys Wahlschlappe war eine Abstrafung infolge der Aufdeckung dessen Komplotts gegen Libyen und Syrien. Francois Fillons Wahlchancen stehen wesentlich besser, seitdem er direkte Verhandlungen mit Russland und Iran zur Überwindung der Syrienkrise angekündigt hat und in Libanon ist der maronitische General Ajoun Präsident geworden, weil er der Hisbollah freie Hand als Verbündeter Syriens lässt. Im Ringen um neue Bündnisse nimmt Syrien eine zentrale Stellung in der neuen Welt ein. Wer Wahlen gewinnen will kommt an Syriens Macht nicht vorbei.“, folgert El Vatan.

Nach Aleppo führten auch die Verhöhnung und Missachtung der Gegner durch das Assadregime zu neuen Höhenflügen. Assad hat schon immer Vermittlungsbemühungen brüskiert. Außenminister Steinmeier hat das zu spüren bekommen, aber als unbelehrbarer Appeaser witterte er neue Verhandlungschancen mit Assad, Iran und Russland und wetterte öffentlich gegen Frankreich und Großbritannien, die eine Beteiligung Assads an Verhandlungen ablehnten und Luftunterstützung gegen die Terroristen vorzogen: „Es kann nicht sein, dass wichtige Partner auf die militärische Karte setzen und Verhandlungslösungen wieder zerstören.“ Ich kenne nicht eine Verhandlung Steinmeiers, die kein Flop war.

Obama entschied gegen den Rat seiner Entourage, keine Flugverbotszone über Syrien zu errichten. Seine Warnungen, der Einsatz von Giftgas werde als Überschreitung einer roten Linie gewertet, verpuffte im bedeutungslosen Nichts. Der UN-Sondergesandte De-Mistura wurde nach langen Bemühungen mit demonstrativer Kälte im November 2016 in Damaskus empfangen. Eine gemeinsame Pressekonferenz kam nicht zustande. Stattdessen lehnte Syriens Außenminister seine Bemühungen um Feuerpausen ab.

Je mehr Toleranz man solchen Regimes entgegenbringt, desto unverschämter werden sie. Sie fördern geradezu verstärkte Hetze nach außen und Eskalation der Gewalt nach innen. Bald gibt es kein Verbrechen am eigenen Volk, vor dessen Anordnung diese krankhaften Diktatoren zurückschrecken. Heute noch gibt es Politiker und Nahostexperten, die mit Häme feststellen, dass der Westen die Syrienkrise nicht zu moderieren vermochte. Um den Syrienkonflikt „erfolgreich“ zu managen, bedurfte es erst der Skrupellosigkeit Putins und Ali Chameneis die Zerstörung des Landes ohne Schonung des eigenen Volkes fortzusetzen. Indessen vertreten Nahost-Phantasieexperten die Meinung, dass Assad nicht verantwortlich für Syriens Katastrophe, sondern Teil seiner friedlichen Zukunft ist. Sie werden auch weiter diesen Volksschlächter als Verhandlungspartner akzeptieren, wie sie einst zu seinen und seines Vaters Massaker am syrischen Volk in Homs (2012) und in Hama (1982) geschwiegen haben.

Assad kann also weiter „siegen“, während die westliche Welt ihn mittels Verhandlungen zu bekehren sucht, dabei tatenlos zuschaut und zu Massenmorde und abnormen Zerstörungen schweigt. Assad auf Siegestour, die ihm Iran, Russland, die Hisbollah und die vielen rekrutierten schiitischen Söldner aus Irak, Afghanistan und anderswo möglich machten.

Wie lange kann so etwas von Erfolg begleitet sein? Ist es wirklich real zu hoffen, dass dies alles vergessen und ohne Konsequenzen für den Charakter des syrischen Staats bleiben wird? Assad bleibt Landesvater in einem unfreien Staat, in dem die Russen und die Iraner das Sagen haben. Syrien wird eine offene Wunde in den Augen der Welt bleiben, dessen 20-Millionenvolk zur Hälfte Flüchtlinge im eigenen Land und in der Welt ist. Assad ist nur noch als Tyrannenmodel, der seine Bürger mit Sonderbehandlungen gefügig hält, geeignet.

Und Syriens Opposition? Die Tragödie der syrischen Revolution besteht im Scheitern, wie der „Arabische Frühling“ insgesamt. In Syrien brachte sie das traditionelle Protomodell des Blutes und der Tyrannei mit der Praxis hervor, „wenn das Volk sich erhebt, so schlag es ohne Gnade nieder“. Noch sind diese Art Herrscher in Irak, Syrien, Jemen, Libyen, Iran, Saudi-Arabien u.a. Staaten an der Macht. Das Dilemma der syrischen Opposition war ihre Zersplitterung. In Syrien gab es schätzungsweise 200 Strömungen gegen Assad. Jede mit eigener Agenda.

Wie ein persischer Pfau in den Ruinen
Wenige Tage nach der Einnahme von Ost-Aleppo setzte der Iran den Kommandeur der Al-Kuds-Verbände der Revolutionsgarden Kassam Suleiman und seine militärischen Begleiter in den Ruinen der menschenleeren Straßen in Szene, um die militärische Rolle des Irans im Syrienkrieg zu demonstrieren. Signalisiert wurde damit die Absicht des Irans weitere Städte in Syrien und anderen arabischen Staaten, insbesondere der Golfregion einzunehmen. Die arabische Presse verglich den arroganten Aufmarsch des Generals und seiner Begleitung mit Hitlers spektakulären Siegesinspektionen im Kreise von Wehrmachtsoffizieren in eroberten europäischen Städten im Zweiten Weltkrieg und prangerten die schweigende Welt an, die damals wie heute gegen die Aggressoren nichts unternommen hat. Was in Aleppo geschah, nähert sich durchaus den Vernichtungskriegen der Nazis. Wenn man sie weiterhin gewähren lässt, werden sie auch deren Dimensionen erreichen. Die ideologische Basis dafür ist bei den beteiligten islamistischen Kräften faschistisch. Betrachten wir sie etwas näher.

Theorie und Praxis der Religionsführer der Islamischen Republik Iran
Seit seinem Bestehen vertritt das Regime den Grundsatz, die iranische Revolution in die gesamte islamische Welt zu exportieren. Diese Maxime stammt aus Khomeinis Buch „Grundsätze des Islams“ (Beirut 1979), in dem er seine Auffassung vorstellt, wie die Einheit der Umma durch einheitliche Islam-Auslegung realisiert werden soll. Er selbst definiert sich und die Revolution nicht als iranisch oder schiitisch, sondern als islamisch. Die Existenz von Nationen und Staaten lehnte er als imperialistische Spaltung der Muslime ab. Die Einheit des Islams sei der einzige Weg zu einstiger Größe des Islam zurückzukehren.

Diese Ideologie nannten Irans Revolutionäre Em-Elkra (eine persische Bezeichnung für Mekka) und verbanden so den Iran mit Mohammeds Mekka, um sich zum geistlichen, kulturellen und politischen Zentrum des Islams zu erklären, indem Sunna und Schia zur einheitlichen Doktrin verschmelzen sollen. Aus der Em-Elkra-Theorie stammt auch das Zitat: „Der Weg nach Jerusalem führt über Kerbela“, soll heißen, der Kampf um die islamischen Heiligtümer in Jerusalem wird unter Irans Führung gestellt. Freilich war den Mullahs bewusst, dass dies ein langer Weg sein wird. Heute betreiben sie Kampagnen, mit denen die einst zu Taktfiren (Ungläubigen) abgestempelten Muslime für ihre Ziele gewonnen werden sollen.

So ruft der Ober-Ajatollah Ali Chamenei alle Muslime zum Kampf gegen den großen und den kleinen Satan (USA, Israel) auf. Unter der Losung „Bewaffnung der Westbank“ will er die verderbten Ziele gegen Israel über die Grenzen des Irans hinaustragen: „Die einzige Lösung für Israel ist Vernichtung.“ Dieser Kampagne kommt eine Doppelfunktion zu, die mit dem Kampf der „Palästinenser“ nichts zu tun hat. Sie dient dem iranischen Regime im Kampf gegen die Sunniten und gegen die wachsende Opposition im eigenen Land. Was ist da nützlicher, als unter diesen Umständen alte Feindbilder für die Durchsetzung einer aktuellen Strategie zu pflegen? Die Vernichtung Israels ist so alt wie das Mullah-Regime.

Neu ist die Bewaffnung der Westbank, ähnlich wie die Ausrüstung der Hisbollah im Libanon. Vielleicht gelingt es mit dieser Kampagne den Block der Moderaten endlich unter die Fittiche des ideologischen Lagers im Iran zu bekommen. Präsident Rohani versucht die Sunniten zu überzeugen, dass sie besser Israel statt Iran bekämpfen sollten.

Die Hisbollah im Syrienkrieg
Am 13. November 2016 hielt die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah in der syrischen Stadt El Kussier, an der Grenze zu Libanon, eine Militärparade in noch nie dagewesenen Dimensionen mit mehreren Hundertschaften, einer Panzerdivision, Kanonen, schweren MGs u.a. ab. An der Parade nahm auch die El Reduan-Division teil, die zehntausend Kämpfer der sogenannten Interventionskräfte, also rekrutierte Schiiten aus Iran, Irak, Afghanistan und syrische Sondereinheiten vereint. Natürlich hat auch die Hisbollah mit ihrer Militärparade auf syrischem Boden ihren Gegnern Ziele und Absichten in Libanon und in der Region demonstriert und dazu die ideologische Begründung geliefert.

El Kussier stellt einen Meilenstein auf dem Weg militärischer Expansion der Hisbollah in das Nachbarland dar. Die Grenzstadt ist im Gedächtnis der Aufständischen gegen Assad eingebrannt, die 2013 nach verlustreichen Kämpfen von der Hisbollah bezwungen wurden. Nach der Eroberung wurden die Stadtbewohner vertrieben. Seitdem dient sie als zentrales Quartier für Rekrutierung und Ausbildung der Kämpfer für den Syrienkrieg, natürlich zulasten der syrischen Autonomie. An den libanesischen Staat gerichtet, diente die Militärparade dazu, die Selbstständigkeit und den Wandel der Hisbollah von einer lokalen Miliz zu einer regionalen Kraft zu demonstrieren. Derartige Bestrebungen werden in Form von Klartext-Aussagen der Hisbollahführung an die Öffentlichkeit getragen, z.B. durch den Stellvertreter des Generalsekretärs der Hisbollah, Naim Kassam: „Wir sind in Syrien und brauchen darüber dem libanesischen Staat keine Rechenschaft abzugeben. Wir handeln nach eigenen Interessen und entsprechend den Zielen des Irans und der Achse des Widerstands.“

Natürlich gibt es Versuche des Libanons, dagegen zu opponieren. Justizminister Aschraf Rify und Samir Djadja, der Chef der „Partei der vereinten libanesischen Kräfte“ sind die wichtigsten Gegner der Hisbollah im Kampf um die Verteidigung der libanesischen Autonomie. Michel Ajoun, der christlich-maronitische Präsident, und der sunnitische Ministerpräsident Saad El Hariri haben es sehr schwer im innerlibanesischen Machtkampf.

Die ersten Leidtragenden sind die Schiiten des Libanon selbst, denn sie müssen das Kanonenfutter für die verlustreichen Expansionskämpfe stellen. Die Parade in El Kussier fand am Tage des Schahid (Selbstmordattentäter) statt. Beste Gelegenheit, die Moral anzukurbeln und die Ziele der Expansion jenseits der Grenze der eigenen Religionsgemeinschaft klarzumachen.

Die wichtigste Absicht steckt in den Formulierungen, die die Tageszeitung der Hisbollah El Modon verbreitet: „Vorbei ist die Zeit des Widerstandes und des Guerilla-Kampfes. Wir nähern uns der Form einer regulären Armee mit moderner Ausrüstung, Spezialeinheiten und Kampferfahrungen. Eine Streitmacht, die keine Grenzen aus dem Sikes-Pigot-Abkommen akzeptiert und mit Verbündeten in regionalen Dimensionen eingesetzt werden kann.“

Im Siegesrausch landet auch hier die verdorbene Ideologie in den Bereich orientalischer
Phantasia: „Hisbollah ist zur neuen Armee des Nahen Ostens avanciert, weil sie grenzüberschreitend agiert. Millionen von Kämpfern aus den Reihen von Verbündeten, welche quer über den Nahen Osten Stellung beziehen, schließen sich seiner Kämpfe an, teilen seine Standpunkte und sehen in Nasrallah einen Führer mit unumstrittener Autorität. Hisbollah entwickelt sich zu einem mächtigen Staat innerhalb von mehreren Staaten, zu denen es nicht in Konkurrenz steht, sondern diese als Schutzmacht ergänzt, was abschreckende militärstrategische Bedeutung besitzt. Hisbollah und sein Patron, der Iran, der die Verbreitung der islamischen Revolution und die Doktrinen der Mullahs anstreben, messen den Grenzen keine Bedeutung bei und dringen immer tiefer in andere Staaten der Region ein.
Diese Auffassung kommt durch militärische Interventionen des Irans in Syrien, Irak, Jemen und der vollständigen Herrschaft der Hisbollah über Teile von Syrien zum Ausdruck. Diese Macht wird zur wichtigsten Tatsache des 21. Jahrhunderts und es gibt keine Kraft, welche die Entwicklung dieser neuen Armee des Nahen Ostens von Libanon bis Afghanistan, von Aleppo bis Bab El Mandeb bedrohen kann.“

Signale an Israel
Kritiker werfen der Hisbollah vor, dass sie den Kampf gegen Israel zugunsten der Beteiligung am Syrienkrieg vernachlässige. Dem entgegnete Naim Kassam, dass der Ausbau der militärischen Stärke in Richtung einer regulären Armee auch Israel zu spüren bekommen werde. Das sollte die militärische Superparade mit der Beteiligung der El Reduan-Division als Hauptkraft verdeutlichen. Die Division wurde speziell für die Eroberung Galiläas in den Basen der Hisbollah in El Kussier trainiert. Der Widerstand der syrischen Oppositionskräfte hat ihren Einsatz erst einmal im Syrienkrieg erforderlich gemacht. Ziel der Hisbollah ist die Schaffung einer durchgehenden Front Südlibanon vom Mittelmeer bis zum Golan. Der nächste Krieg gegen Israel soll anders geführt werden, meint Hassan Nasralla: „Statt Raketenbeschuss und Abwehr israelischer Vergeltungsschläge wird auf eine Eroberung des Galiläas mit einer Panzerarmee orientiert. Die verstärkte Präsenz der Hisbollah auf dem Golan dient dem Zweck, den Konfliktraum zukünftig zu einer breiten einheitlichen Front gegen Israel auszubauen.“
Vor diesem Hintergrund sind Israels Präventionsmaßnahen zu werten. Das Land ist bestrebt, sich aus den Kriegshandlungen entlang seiner Grenzen herauszuhalten. Den Expansionen der Hisbollah tatenlos zuzusehen, ist jedoch gefährlich.

Alle beschwören ihren Kampf gegen den Terrorismus zu führen
Russland und die Verbündeten der Moskauer Deklaration vom 20. Dezember 2016, Iran und Türkei, erklären ihre Einfluss- und Expansionsbestrebungen als Terroristenbekämpfung. Der IS ist formal die Zielscheibe. Tatsächlich hat er den Kampf am wenigsten zu spüren bekommen. In den Bestrebungen nach Ausschluss der USA vom politischen Prozess einer Lösung für Syrien steht das Terrorismusbekämpfen als zentrales Argument. Syrische Rebellen, Fremde aus den Reihen der El Nusra, Kurden, Sunniten u.a. werden gleichermaßen zu Terroristen erklärt. Eingebettet in das Ausschlussbestreben sind die separaten Verhandlungen der neuen Allianz in Kasachstans Hauptstadt. Alte Protagonisten und Grundsätze der Genfer Resolution von 2012 wurden ausgeblendet, um der russischen Initiative Legitimation zu verschaffen. Assad bleibt im Amt. Die Oppositionellen werden an den Verhandlungstisch gebombt. Ob das gutgeht? Zukunft hat es keine, weil die Taten von Assad nicht in Vergessenheit geraten werden. USA, EU und UNO können nur noch die Scherben ihrer Politik zusammenkehren. Dies ist durch inkonsequentes Handeln oder Unterlassungen im Umgang mit Despoten und Terrororganisationen der islamischen Welt zu erklären.

Die Moskauer Deklaration ersetzt die Genfer Deklaration durch den Beschluss 2254 des UN-Sicherheitsrates (auf Initiative Putins). Diese erkennt Syriens Autonomie und Einheit als demokratischen, laizistischen Staat an, betont die Erkenntnis, dass es keine militärische Lösung gibt und garantiert die Entschlossenheit IS und El Nusra kompromisslos zu bekämpfen und von der bewaffneten moderaten syrischen Opposition zu trennen. Russland, Iran und die Türkei werden als Garanten für die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen erklärt.

Eine derartige Differenz zwischen UN-Beschluss und Realisierung hat es hat es wohl noch nie gegeben. Hinzu kommt Lawrows Erklärung, dass das Hauptziel nicht die Ablösung des Assadregimes ist, sondern das Leid der Unschuldigen durch humanitäre Leistungen zu beenden. Die Bekanntgabe der Fortsetzung der Genfer Verhandlungen durch De Mistura hat Lawrow ignoriert. Ein Veto der Obama-Administration blieb aus. Was für eine diplomatische Blamage für die westlichen Amateure gegen die Profis und Trickser aus Moskau, Teheran und Ankara!

Nach Aleppo sind die Bedingungen für Syriens Oppositionelle komplizierter geworden. Dem Neustart der Verhandlungen in Kasachstan begegneten sie mit Skepsis. Am 22. Dezember 2016 gab das Informationsbüro der obersten Verhandlungsautorität eine Absage ihrer Teilnahme bekannt. Auch Saudi-Arabien verweigerte eine Einladung mit der Begründung, dass das neue Patenschaftstrio an dem Fortbestehen von Assad festhält und die arabischen Golfstaaten ebenso wie die USA und die EU von dem Verhandlungstisch verdrängt.

Inzwischen haben wir März Anno 2017 und die Konferenz in Kasachstan ist immer noch nicht in Gang gekommen.

Erinnern wir uns, wie es begann: Ende Juni 2012, einem Jahr nach dem Ausbruch eines Bürgerkriegs in Syrien, trafen sich die Außenminister der USA, Russlands, EU, Chinas, Frankreichs, Großbritanniens, Türkei, Irak und Kuwait in Genf und verabschiedeten die Genfer Resolution mit folgenden Grundsätzen:

Verantwortlich für die Krise ist die syrische Regierung;
Waffenstillstand, vertrauensbildende Maßnahmen, Freilassung politischer Gefangener, garantiertes Demonstrationsrecht; Bildung einer Autorität aus Regierung und Opposition zur Schaffung einer Verfassungsänderung und einer Ordnung der Gerichtsbarkeit;

Danach freie Wahlen der Führungsorgane einschließlich für Armee und Geheimdienste.

Betont wurde die Beibehaltung des Heeres, der Beamten, Soldaten und Polizisten, um die Fehler nach dem Irakkrieg nicht zu wiederholen. Personen, die sich in der Krise schuldig gemacht haben, werden zur Rechenschaft gezogen. Im Vordergrund steht ein Prozess der nationalen Versöhnung nach dem Vorbild von Südafrika.

Jede der neuen Garantiemächte hat separate Ziele, die denen der anderen widersprechen und seine eigenen Feinde unter den Konfliktparteien, die sie kompromisslos bekämpfen. Auf Drängen der Türkei sind die Kurden nach Kasachstan nicht eingeladen worden. Der Iran wollte seinen Erzfeind die USA nicht am Verhandlungstisch sehen. Die Einbeziehung der Türkei dient Russland als Alibi gegen den Vorwurf der Errichtung einer russisch-schiitischen Allianz. Im Gegenzug verzichtete die Türkei auf ihre Forderung, Assad zu entmachten.
Russland und Iran konnten Assads Krieg in Aleppo gar nicht mehr stoppen. Sie würden sonst den anderen Komplizen das Feld allein überlassen.

Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie es nach der Pleite der westlichen Diplomatie in Syrien und im Nahen Osten weitergehen wird, wenn man nur bereit ist, die Dinge so zur Kenntnis zu nehmen, wie sie sind. Es wird weiterhin viel Blut und Trümmer kosten. Die islamischen Religionen und die Ideologien des Orients sind seit langem auf Expansion aus. Der Rausch zum Töten, Selbstopferungen und Verschwörungen verdrängen heute noch in Abständen die Ansätze einer vernunftorientierten stabilen Staatsführung. Wann immer man die Despoten gewähren ließ, nahmen die orientalischen Phantasien der Mächtigen bedrohliche Formen an. Gamal Abdel Nasser, Muamar Gaddafi, Saddam Hussein, Ruhollah Khomeni, Baschar und Hafez al Assad sind beredte Beispiele dafür.

Ob Kriege oder Diplomatie seit dem 20.Jahrhundert der Welt mehr Opfer gebracht, dem islamischen Terror stärker gefördert haben, lässt sich nicht präzise feststellen. Beidem lag stets die mangelnde Einschätzung der Gefährlichkeit des Islams und die nicht koordinierten Maßnahmen zu Grunde.

Kriege und Diplomatie blieben immer inkonsequent. Die Zeit wird kommen, wo die Einsicht reift, dass nur ein entschlossenes, einheitliches Handeln zum Erfolg führt. Bekämpfung der Flüchtlingsursachen heißt, sich den Kampf gegen den IS, El Kaida u.a. zu stellen, statt mit Despoten oder ruinierten Regimes entlang der nordafrikanische Küste oder am Bosporus Verträge zu schließen, in denen Flüchtlinge politische Manövriermasse sind.

Für die Zukunft ist heut schon wichtig, dass die Verbrechen von Aleppo u.a. Städten dokumentiert werden. Das sind wir den vielen Opfern schuldig. Es könnte der Abschreckung in der Zukunft dienen.

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