Den „Islamischen Staat“ kennt nun jeder – seinen Chef fast niemand  

Februar 8, 2016 – 29 Shevat 5776
Das Phantom des Terrors

Von Richard Diesing

Viel weiß man nicht über den Mann, der von seinen Gefolgsleuten „Kalif“ genannt wird. Bei Treffen mit Geiseln trägt er eine Maske, es gibt nur zwei Bilder, bei denen sicher ist, dass sie von ihm sind.
Der Mann hinter dem IS-Terror tritt nicht gerne in die Öffentlichkeit – aus gutem Grunde. Viele Terror-Chefs vor ihm wurden gezielt getötet. Videoaufnahmen machen das Leben eines Terroristen unsicherer. Das Leben des meistgesuchten Terroristen der Welt gefährden sie besonders. Jeder noch so kleine Hinweis wird ausgewertet, um ihn zu kriegen. Die Rede ist von Abu Bakr al-Baghdadi.

Al-Baghdadi stammt aus der irakischen Stadt Samarra mit rund 160.000 Einwohnern. Ein wichtiger Schrein der Schiiten, der al-Askari-Schrein, steht in der Stadt. Der spätere IS-Chef wird am 1. Juli 1971 mit dem Namen Ibrahim Ali al-Badri in eine fromme Familie hineingeboren. Er selbst sagt, seine Familie würde vom Propheten Mohammed abstammen. Ob das wirklich so ist, weiß man nicht. Was man weiß ist, dass al-Baghdadi nach dem Abitur, durch das er beim ersten Mal wegen des Faches Englisch durchfällt, Jura studieren will. Weil seine Abiturnoten aber zu schlecht sind, studiert er an der „Universität für islamisches Recht“ erst islamische Rechtsprechung, später dann Koranwissenschaften. Zehn Jahre lang wohnt er in Bagdad. 1999 macht er seinen Magister-Abschluss. Koranwissenschaften ist aber nicht – wie man zuerst glauben mag – eine genaue Auseinandersetzung mit dem Koran. Der Direktor der Universität, an der al-Baghdadi studierte, erklärte einem Reporter-Team der ARD und der Süddeutschen Zeitung 2015: „Er (al-Baghdadi) hat den Koran studiert: dabei geht es in erster Linie darum, auswendig zu lernen, nicht um Analysen oder Interpretationen.“

Nach seinem Magisterabschluss will Al-Baghdadi seinen Doktor machen, doch es kommt etwas dazwischen: 2003 fangen US-Streitkräfte zusammen mit der Unterstützung Großbritanniens und der sogenannten „Koalition der Willigen“ an, Ziele im Irak zu bombardieren. Nur wenige Monate nach den ersten Angriffen auf den Irak gründet al-Baghdadi mit anderen Gleichgesinnten die Terrorgruppe „Ansar As-Suna“. Diese war für mehrere Selbstmordattentate und Bombenanschläge verantwortlich. Die Übergangsregierung des Iraks und die USA vermuteten Kontakte zwischen der Terrorgruppe und Al-Kaida.

Im Februar 2004 wird al-Baghdadi verhaftet, der Grund dafür ist bis heute unbekannt. Er wird in das berüchtigte US-Gefangenenlager „Camp Bucca“ gebracht. Dort bleibt al-Baghdadi bis Dezember 2004.

Das Gefangenenlager „Camp Bucca“ war bis zu seiner Schließung 2009 berüchtigt. Um Konflikte zwischen den Insassen zu verhindern, wurden die Häftlinge nach Konfessionen getrennt. So kam es, dass sunnitische Radikalislamisten, unter ihnen wohl auch al-Baghdadi, mit Baathisten in Kontakt kamen. Die ehemaligen Mitglieder von Saddam Husseins Sicherheitsapparat konnten auf gute Kontakte und exzellente organisatorische Fähigkeiten zurückgreifen. Die Ziele waren zwar verschieden, doch in einer Sache waren sich beide Gruppierungen einig: Die neuen Verhältnisse im Irak müssen wieder gestürzt werden. Beide Gruppen schreckten, um ihre Ziele zu erreichen, auch nicht vor Gewalt zurück.

Auch viele spätere Mitglieder al-Baghdadis waren zeitweise im „CampBucca“ inhaftiert. Da wäre Fadel al-Hayali, al-Baghdadis Stellvertreter für den Irak, der im August 2015 bei einem Drohnenangriff starb.Oder der IS-Militärberater Abu Mohammed al-Sweidawi. Er war unter Saddam Hussein Oberst der irakischen Luftwaffe.

Als Al-Baghdadi Ende 2004 entlassen wird, schätzten ihn US-Behörden als ungefährlich ein – ein Fehler. In Al-Baghdadi brodelt der Hass. Ab 2007 wirkt er bei dem irakischen Al-Kaida-Ableger mit. 2010 übernimmt al-Baghdadi dann die Führung des „Islamischen Staates“. Eine Gruppierung, die schon damals für mehrere hundert Tote pro Jahr verantwortlich ist.
Im Zuge des „Arabischen Frühlings“(der eher ein „Arabischer Winter“ ist) kommt es ab Anfang 2011 zu vermehrten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeikräften, unter anderem auch in Syrien. Der syrische Bürgerkrieg bricht aus. Der IS nutzt ab dem Frühjahr 2012 das Machtvakuum, dass die zurückgezogenen US-Streitkräfte im Irak und der chaotische Bürgerkrieg in Syrien freigesetzt haben. Nach mehreren Streitigkeiten mit verschiedenen Terrorgruppen und Landgewinnen in Syrien und dem Irak verkündet der IS unter Führung al-Baghdadis Mitte 2014 das Kalifat. (...)

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