Auch die gezielte Unterwanderung der Berliner Ordnungskräfte wird man nicht durch Diffamierung der Whistleblower beseitigen  

Dezember 8, 2017 – 20 Kislev 5778
Berliner Polizei: Der Feind über den eigenen Reihen

Von Alexander Wendt

Kürzlich gab es einen Auftritt von Innensenator Andreas Geisel (SPD), Polizeipräsident Klaus Kandt und Noch-Vizepolizeipräsidentin Magarete Koppers vor dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, der die Stadt eigentlich hätte erschüttern müssen. Wenn es sich bei der Stadt nicht ausgerechnet um Berlin handeln würde, die Schlimmergehtsnichtmehr-Metropole.

Anzutreten hatten die politisch Verantwortlichen, nachdem Berichte über Polizeianwärter aus kriminellen Großfamilien und Polizeischüler mit Migrationshintergrund und auffälligen Disziplinproblemen durch Whistleblower in die Medienöffentlichkeit gelangt waren. Nach den ersten Berichten in der Hauptstadtpresse begann zunächst eine mediale Gegenoffensive: Kaveh Kooroshi, Redakteur des ARD-Magazins „Panorama“, erklärte nicht die Zustände an der Berliner Polizeiakademie auf der Internetseite des Politmagazins zum Skandal, sondern die Berichte und Debatten darüber.

„Es ist schon absurd, was derzeit in Berlin passiert. Polizeiausbilder verunglimpfen Polizeischüler mit Einwanderungshintergrund in rassistischer Weise – und das wird – das ist das wirklich Absurde – von weiten Teilen der Politik und den Medien wie ernstzunehmende Sachkritik ‚geprüft‘. Geprüft heißt hier, dass den anonymen Vorwürfen von angeblichen Polizeiausbildern nachgegangen wird.“

Kein „angeblicher“, sondern ein tatsächlicher Ausbilder
In Koorshis Satz stecken gleich drei Manipulationen. Erstens weiß die Polizeiführung mittlerweile, wer der Beamte war, der in einem heimlichen Audiomitschnitt die Disziplinlosigkeit in seiner Klasse dokumentierte. Es handelt sich also erstens nicht um bloße Vorwürfe, zweitens ist die Quelle nicht anonym. Und drittens handelt es sich nicht um einen „angeblichen“, sondern einen tatsächlichen Ausbilder. (An dieser Stelle drängt sich die Frage auf: stellen die ständig von der ARD gelobten ARD-Faktenchecker ihre Arbeit ein, wenn ein Redakteur mit Migrationshintergrund jemand an den Rassismuspranger stellt?)

Aber es geht noch weiter in seinem Panorama-Text:

„Als ob die bloße Anwesenheit eines Deutschen, dessen Eltern und Großeltern nicht in Deutschland geboren wurden, der Beleg für‘ Unterwanderung sei. (…) Umgehend müssen diejenigen, die solche Aussagen treffen und Polizisten ausbilden (!), ermittelt und sanktioniert werden.“

Der Redakteur gehört übrigens zu der Pressure-Group „Neue Deutsche Medienmacher“, die sich zum Ziel gemacht hat, Sprachregelungen für alle Berichte zu Migrationsfragen durchzusetzen.

Das dürfte eine Premiere sein: ein Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens fordert, einen Whistleblower zu bestrafen; er verlangt nicht, die im Raum stehenden Vorwürfe aufzuklären, sondern erklärt es schon für „rassistisch“, sie überhaupt ernst zu nehmen. Begründung: Es geht um türkische und arabische Zuwanderer beziehungsweise Kinder aus deren Familien.

Diese Strategie geht weit über Berlin hinaus: nach diesem Muster hatten die britische Polizisten in Rotherham jahrelang einen der schlimmsten Fälle von sexuellem Massenmissbrauch vertuscht. Die bloße Angst, als „Rassist“ angeprangert zu werden, funktionierte dort lange als zuverlässiger Knebel.

Und neuerdings eben auch in Berlin. Kandt nahm Koorshis Vorlage auf und erklärte:

„Wir haben hier eine Diskussion, bei der alle türkisch- und arabischstämmigen Mitarbeiter sich einem Generalverdacht ausgesetzt sehen.“

Innensenator Geisel kleidete seine Abwehrstrategie in eine Frage, die er für sich allerdings beantwortet zu haben schien:

„Wird hier Stimmung gemacht gegen Migranten in der Polizei? Das werde ich nicht dulden.“

Der Punkt ist: Niemand von den Whistleblowern macht Stimmung gegen „Migranten in der Polizei“. Niemand hat einen Generalverdacht geäußert, außer Geisel und Kandt gegen ihre unzufriedenen Untergebenen. Niemand meint, es sei ein Beleg für die Unterwanderung der Polizei, wenn Polizeianwärter mit Wurzeln außerhalb Deutschlands in den Dienst rücken. Weder Geisel noch Kandt oder Koorshi präsentieren auch nur einen einzigen Generalverdächtiger.

In der Debatte geht es auch nicht um etwas Generelles, sondern um konkrete Vorwürfe: Einige Polizeischüler sollen sich unflätig und respektlos gegenüber ihren Ausbildern benehmen. Bei Prüfungen hatten einige Schüler mit ausländischen Wurzeln vom Blatt abgelesen, konnten aber keine mündlichen Fragen zum Stoff beantworten – was nahelegt, dass sie mit Hilfe eines externen Trainers einen Lernstand simulieren, den sie nicht haben.

In einem Fall geht es konkret um den Verdacht, dass ein Polizeischüler aus dem notorischen Miri-Clan stammt. Vor kurzem gab es den aktenkundigen Fall einer Polizeipraktikantin aus einer arabischen Familie, die heimlich interne Unterlagen abfotografierte und an Clanmitglieder verschickte. Das passierte zwar nicht an der Akademie, zeigt aber, dass es diese Unterwanderungsversuche sehr wohl gibt.

Wer etwas sagt, ist Rassist
Geisels und Kandts Strategie nach dem Muster: wer etwas sagt, ist Rassist – diese Rotherham-Abwehr führt in Wirklichkeit überhaupt erst zu einem flächendeckenden Misstrauen gegen Polizisten mit Migrationshintergrund.

An der Berliner Polizeiakademie lernen derzeit 1.200 Anwärter; der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund liegt bei 45 Prozent. In diesem Jahr leitete die Akademieführung 33 Disziplinarverfahren ein, unter anderem wegen Prüfungsbetrugs, Beleidigung, Köperverletzung und Fernbleiben vom Dienst. Bisher gab es zwei Entlassungen. Der Vize-Chef der Akademie Boris Meckelburg erklärte, 80 Prozent der Schüler seien „total pflegeleicht“. Das ist eine bemerkenswerte Umschreibung dafür, dass es sich bei jedem fünften offenbar um einen Problemfall handelt.

Aber selbst, wenn diese 20 Prozent, die in Bayern vermutlich nie auf eine Polizeiakademie gekommen wären, ausnahmslos auf Anwärter mit Migrationshintergrund entfallen sollten, blieben bei einem Anteil von 45 Prozent ziemlich viele ordentliche Jungpolizisten ohne biodeutsche Wurzeln übrig. An ihnen klebt jetzt ein Stigma, angebracht durch Vertuschungsideologen wie Geisel, Kandt und ihrem Vordenker Koorshi. Der Feind der Polizei steht nicht nur, wie kürzlich ein wütender Beamter sagte, in den eigenen Reihen. Sondern vor allem eine Etage darüber.

Bei der Anhörung im Abgeordnetenhaus sagte Vize-Polizeipräsidentin Magarete Koppers über die Polizeiakademie: „Es gibt die gleichen Disziplinlosigkeiten wie an jeder anderen deutschen Schule.“ Nun soll es durchaus Schulen in Deutschland geben, in denen sich weniger als 20 Prozent Problemfälle tummeln. Und jugendliche Absolventen eine Gesamtschule im Wedding bekommen nicht anschließend Waffen und Uniform, um das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen – oder wahlweise Clangesetze.

Polizeibeamte müssen jetzt erst recht die Pfeife blasen
Koppers, die selbst im Mittelpunkt mehrerer Vorwürfe steht, soll demnächst Chefin der Berliner Generalstaatsanwaltschaft werden. Frage: wie hoch wird dann der Eifer sein, Querverbindungen zwischen Polizei und Clans aufzuklären, wenn die leitende Beamtin erst der einen und dann der anderen Behörde schon ohne Prüfung befindet, es gebe sie gar nicht?

Polizeibeamte (gerade die mit nichtdeutschen Namen und makellosem Rechtsverständnis) und Staatsanwälte, die solche Verhältnisse nicht hinnehmen wollen, müssen jetzt erst recht Vermerke anlegen und die Pfeife blasen. Informationen weitergeben. Gegenüber aufklärungswilligen Medien (einige gibt es), und gegenüber der Bundesanwaltschaft. Denn sie haben ihren Eid nicht auf einen Senator oder eine Partei geleistet, sondern auf das Grundgesetz.

Dieser Text erschien zuerst in dem neuen Online-Magazin Publico, das von Alexander Wendt als Medium für Gesellschaftskritik gegründet wurde.

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