August 7, 2014 – 11 Av 5774
«Ein Weib soll nicht Mannesgewand tragen…»

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Zur (jüdischen) Kulturgeschichte der Frauenhose vom Mittelalter bis heute 

Seit dem ausgehenden Mittelalter bis zur Emanzipationsbewegung der Frauen im 19. Jahrhundert war das zweigeteilte Kleidungsstück, genannt Hose, in der westlichen Welt ein geschlechtsspezifisches Symbol für Männlichkeit und Überlegenheit. Mit diesen Eigenschaften verknüpft war jahrhundertelang das alleinige Wirken der Männer in der Berufswelt, im Krieg und in der Politik, während sich Frauen der häuslichen Sphäre widmen mussten. Im Unterschied zur christlichen Kultur, übernahmen Frauen im Judentum, wie etwa die im 17. Jahrhundert geborene Gold- und Juwelenhändlerin Glückel von Hameln, neben der Kindererziehung, dem Haushalt und der Handarbeit, zugleich die Verantwortung für das Familiengeschäft. Vom Lernen wurden jüdische (wie christliche) Frauen jedoch ausgeschlossen. Frauen konnten in der Synagoge nur in einem Nebenraum − strikt getrennt von den Männern − beten, und weder den Tallit tragen, noch die Thora lesen, wie dies mit Beginn des 20. Jahrhunderts in der liberalen, aber nicht in der orthodoxen Synagoge, etabliert wurde. Mit der Verfestigung von männlichen und weiblichen Lebens- und Handlungsräumen, setzte sich auch die geschlechtliche Zuordnung von Hose und Kleid durch.

Jüdische Kleidung im Okzident und Orient des Mittelalters
Während in der Antike Frauen und Männer einteilige Gewänder, die griechische bzw. römische Tunika, trugen und sich ihre Kleidung im Wesentlichen nicht von der der polytheistischen Bevölkerung un- terschied, kam es im Mittelalter zu einem drastischen Wandel im jüdischen Leben: Der politische und wirtschaftliche Aufstieg der Christen bedeutete mitunter auch, dass Juden ihre Kleidungskultur gezwun- genermaßen umstellen mussten. So legte im Jahre 1215 Papst Innozenz III. eine diskriminierende Kleiderordnung für Juden und Jüdinnen fest, um die jüdische Bevölkerung von der christlichen unterscheiden zu können. Da die jüdische Existenz als gefährlich für das christliche Seelenheil be- trachtet wurde, mussten Juden in Ghettos leben und wurden kontinuierlich wegen Ritualmord- und Hostienschändungsbeschuldigungen aus ihren Wohnorten vertrieben. Während jüdische Männer zu ihrer Kennzeichnung zunächst einen langen, gelben Hut, den so genannten «Judenhut» tragen mussten, und seit dem Baseler Konzil im Jahre 1431 verpflichtet waren, sich durch einen gelben Ring auf ihren Kleidern kenntlich zu machen, mussten Jüdinnen einen langen blaugestreiften Schleier über ihr Haar legen. Neben dieser speziell jüdischen Kleidung, gab es zwischen Männern und Frauen, Juden und Nichtjuden viele modische Gemeinsamkeiten: So gehörten im Mittelalter Röcke und bodenlange Kleider sowohl für Männer als auch für Frauen zur Garderobe, während die höfischen Da- men, genauso wie Männer, Beinlinge, d. h. einzelne Hosenbeine, anzogen. Erst seit dem 14. Jahrhundert, als Aristokratie und Ritterschaft an Bedeutung gewannen, ent- wickelte sich − im Okzident − das Tragen von Hosen zu einem männlichen Vorrecht.

Der Orient, welcher seit dem 18. und 19. Jahrhundert von den Westeuropäern mit großer Neugier und Bewunderung bereist wurde, bot ein weitaus anderes Kleiderverhalten. Die sephardischen Jüdinnen und Juden, die Ende des 15. Jahrhunderts aus Spanien vertrieben wurden und im Osmanischen Reich eine neue Heimat fanden, übernahmen zugleich den orientalischen Kleidungsbrauch. Zum Erstaunen der Europäer waren bei jüdischen und muslimischen Osmaninnen sowohl breite Pumphosen als auch Leggingsartige Hosen, die bis ins 19. Jahrhundert von einem Unterkleid und einem Mantel verdeckt wurden, en vogue. Auch kombinierten jüdische Tunesierinnen Figur betonende Hosen mit enganliegenden Oberteilen, während auf dem Balkan Frauentrachten mit weiten Seidenhosen in Mode waren. Zu betonen ist, dass selbst in China, in einigen Teilen Japans und in kalten Polargebieten Hosen nie als ein geschlechtsspezifisches Kleidungsstück definiert wurden, was zeigt, dass die Hose per se nicht mit Männlichkeit in Zusammenhang gebracht werden kann.

Hosen-Experimente im 19. Jahrhundert
Dennoch mussten sich in der westlichen Kultur Europäerinnen im Zuge der Emanzipationsbewegung das Recht auf das Hosentragen schwer erkämpfen − und sie ernteten dabei viel Spott und Unverständnis. Die in Deuteronomium 22,5 festgelegte Vorschrift: «Ein Weib soll nicht Mannesgewand tragen, und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen; denn ein Gräuel ist dem Herrn, deinem Gott, ein jeder, der solches tut», konnte mahnend auf die Frauen gewirkt haben, tat es jedoch nicht langfristig. Bereits im Laufe der Französischen

Von Martina BITUNJAC

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