November 3, 2016 – 2 Heshvan 5777
Die britische Geheimpolizei in Palästina

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Die Geschichte des „Criminal Investigation Department“ (CID)  

Von Karl Pfeifer

Anfang der 90er Jahre betrat ein Angestellter des Schabak (israelischer Inlandsgeheimdient) einen Lagerraum im Büro Jerusalem und spürte einen seltsamen Geruch. Die Ursache lag in einigen Kartons voll mit alten Filmen. Es waren insgesamt 400 Filmrollen mit jeweils 1.000 Seiten Dokumente, die nach Rekonstruktion dem Archiv der Hagana übergeben wurden.

Diese für Historiker wichtige Unterlagen sind das Archiv des „Criminal Investigation Department“ (CID), der Polizei im britischen Mandatsgebiet (Palestine Police). Der CID war kein gewöhnlicher Polizeinachrichtendienst, er war die wichtigste Quelle der Mandatsregierung zu Bekämpfung und Eindämmung der arabischen Unruhestifter und Aufständischen. Doch auch über die Hagana, die wichtigste paramilitärische Organisation, Ezel und Lechi sowie über Nazis und Kommunisten, sammelte er Nachrichten. Man nannte C.I.D. auf Hebräisch „haboleshet“, die Geheimpolizei.

Das Archiv der C.I.D wurde in Jerusalem 1948, kurz bevor das britische Mandat zu Ende ging, von einem jüdischen Photographen aufgenommen, eine Kopie blieb in Jerusalem und wurde vergessen.
Der Militärhistoriker Dr. Eldad Harouvi schrieb seine Doktorarbeit aufgrund dieser Dokumente und anderer, die er in britischen Archiven fand, z.B. Memoiren und Interviews ehemaliger CID-Mitarbeiter. 2011 veröffentlichte er seine überarbeitete Dissertation in hebräischer Sprache (527 Seiten) und erst vor ein paar Monaten wurde sein Buch „Palestine Investigated, The story oft he Palestine C.I.D. 1920 – 1948“ von Sussex Academic Press auch in englischer Sprache publiziert.

Seit Theodor Herzl im Jahr 1902 britischen Parlamentariern der königlichen Kommission die Einwanderung der Juden nach Palästina erklärt hatte, und was Zionisten überhaupt wollen, gab es eine Verbindung zwischen der britischen Regierung und der zionistischen Bewegung, die natürlich durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde.

Im Dezember 1917 betrat der britische General Allenby Jerusalem. Die Einwohner des Heiligen Landes waren noch gezeichnet von den Kriegsereignissen, von Hunger und Gesetzlosigkeit. Die arabischen Führer hatten mit Ausnahme der Haschemiten die ottomanische Herrschaft bis zuletzt unterstützt und empfingen die neuen Herrscher mit einer Mischung aus vorsichtiger Gleichgültigkeit und Verdächtigung. Die Juden hingegen hofften, dass die Briten die im November erlassene Balfour-Erklärung verwirklichen wollen und waren den Briten dankbar, dass sie die türkischen Maßnahmen gegen Juden abschafften. Als Zeichen der Anerkennung gaben sie der damaligen Tel Aviver Hauptstraße den Namen Allenby.

Die Briten errichteten ein Besatzungsregime und beschäftigten auch arabische Polizisten, die bereits den Ottomanen gedient hatten. Am 1. Juli1920 wurde unter dem ersten Hochkommissar Herbert Samuel eine zivile Administration eingerichtet. Bereits im April 1920 gab es ein arabisches Pogrom gegen die Juden in der Altstadt Jerusalems. Ein paar Wochen nach Samuels Ernennung, erhielt dieser aus Kairo vom Nachrichtenoffizier Oberst French eine Einschätzung der Lage im Heiligen Land: „Wir warnen, dass alle einflussreichen Muslime und Christen praktisch Antizionisten sind, und deswegen verbittert… in anderen Worten, wenn wir irgendeine zionistische Politik durchführen wollen, müssen wir dies mit Hilfe einer militärischen Macht mit einem starken Vorgehen gegen alle Hetzer im Staat machen…Wir müssen uns auch vorbereiten für Gefahren und Ordnungsstörungen in der breiten moslemischen Welt und bereit sein für die Propaganda, die mit Sicherheit kommen würde wegen der Sorge, welche Positionen Juden an den heiligen Orten in Jerusalem und auf dem Gebiet des Heiligen Landes einnehmen würden.“

Harouvi fand heraus, dass der C.I.D. an wichtigen Stellen des Jischuw (die jüdische Gemeinschaft bis zur Errichtung des Staates Israel) Informanten hatte. Doch hatten die Briten, die natürlich die formelle politische Struktur des Jischuw kannten, auch verstanden, wie dieser funktionierte?

Die Lage war für sie verwirrend, einige sich überschneidende Organisationen hatten einen gewissen Grad der Autonomie, die World Zionist Organization (WZO), die Jewish Agency oder Sochnut, die Gewerkschaft Histadrut und der Vaad Leumi oder der Nationalrat. Die Aufgabe und die Wichtigkeit der Organisationen sollte sich im Lauf der Jahre ändern. 1920 wurde Knesset Israel, die politische Körperschaft, die die Juden im Mandatsgebiet vertrat, gegründet. Auch die Histadrut Haklalit, später nur Histadrut, wurde im gleichen Jahr gegründet. In ihr waren alle Arbeiter- und Kibbuzbewegungen sowie Kooperativen vereinigt. Die Histadrut wurde zum Hebel für fast alle politischen, ökonomischen und sozialen Aktivitäten des Jischuw. 1929 etablierte die WZO die Jewish Agency for Palestine, um das Judentum weltweit (und damit auch Nichtzionisten) mit am Aufbau zu beteiligen. Die führenden Funktionäre der Jewish Agency hatten die Politik des Jischuw aber auch die Mandatsbehörden beeinflusst – es ging hauptsächlich um die Aufnahme von Einwanderern und ihre Integration.

Die Jewish Agency wurde von der WZO finanziert, hatte aber auch die Möglichkeit Geld im Ausland zu sammeln. Um es noch verwirrender zu machen, waren die meisten jüdischen Parteien im Land in jeder Organisation vertreten.

Das wesentliche Merkmal des Jischuw waren seine verschiedenen Strömungen.
Die Mehrheit war natürlich zionistisch. Aber es gab auch Nichtzionisten wie zum Beispiel die religiöse Agudat Israel und die Kommunisten.
Die C.I.D. war besonders interessiert an den religiösen und nicht-zionistischen Gruppen, um so die Politik des Jischuw zu beeinflussen.
Das politische System des Jischuw hatte seine Wurzeln in der Diaspora, wo die jüdischen Gemeinden Erfahrung sammeln konnten, wie sie sich unter Bedingungen einer begrenzten Autonomie selbst verwalten. Diese Erfahrung half der Führung des Jischuws unter dem britischen Mandat zu leben. Doch die britischen Politiker und Nachrichtenoffiziere konnten den Jischuw schwer einschätzen. In den verschiedenen Kolonien wurden sie mit ganz anderen Problemen fertig. Doch im Heiligen Land scheiterten sie.

Die Einheit des Jischuw wurde in den 1930er Jahren gebrochen, als die Revisionisten geführt von Zeev Jabotinsky 1935 die zionistische Federation verließen und eine „Neue zionistische Organisation“ gründeten, nachdem es zu keinem Kompromiss zwischen David Ben-Gurion dem Führer der Histadrut und Zeev Jabotinsky kam. Diese Spaltung wurde während des Zweiten Weltkriegs noch größer, jedoch kam es wegen der Macht der Histadrut zu keinem Systemwechsel. Die so unterschiedlichen rivalisierenden Ideologien haben die gegeneinander gerichteten Aktionen eingeschränkt. Das ganze System basierte auf Freiwilligkeit, was auch extreme Reaktionen hemmte. Dazu kamen die Bedrohung durch Nazideutschland seit 1933 und der arabische Aufstand 1936-1939, die daran erinnerten, dass man sich innerhalb des zionistischen Lagers in wesentlichen Fragen einig sein musste.

Die C.I.D. im Heiligen Land konnte aus der reichen Erfahrung von kolonialen Polizeieinheiten lernen. Doch oft genug hatten sie mit Problemen zu tun, die es so nirgendwo anders gab. Zum Beispiel hatten die arabischen Nachbarstaaten Libanon und Syrien während des arabischen Aufstandes 1936-39 den Aufständischen ein Rückzugsgebiet geboten, aus dem sie immer wieder zurückkommen konnten mit neuen Waffen und Nachschub. Dazu kam der diplomatische Druck der arabischen Staaten gegen die Einwanderung von Juden und gegen den Landerwerb von Juden. Aber auch die jüdischen Gemeinden in Europa, aus denen Geld und Kämpfer kamen, mussten in Betracht gezogen werden, wie auch die Tatsache, dass an die 30.000 Juden als Soldaten der britischen Armee alles taten, um Waffen und Ausrüstungsmaterial und illegale Einwanderer ins Land zu bringen. (…)

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