Juni 8, 2015 – 21 Sivan 5775
Ausgekocht und angeschickert

image

Zahlreiche Jiddismen bereichern fast unbemerkt die deutsche Sprache  

Von Laura Külper

Obwohl man sich mittlerweile in jedem deutschen „Kaff“ „Hals und Beinbruch“ wünscht, ist den meisten Menschen heute nicht klar, dass diese Begriffe einen jiddischen oder hebräischen Ursprung haben. Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass weit über 300 Begriffe unseres Wortschatzes heutzutage entsprechend verwurzelt sind. Ein paar dieser historisch-linguistischen Besonderheiten werden nun im folgenden Artikel etwas genauer unter die Lupe genommen. Zunächst ist es aber wichtig, einen kleinen historischen Exkurs zu unternehmen, um die Hintergründe dieses sprachlichen Phänomens besser zu verstehen.
(…)
Nehmen wir so zum Beispiel den Begriff „angeschickert“, also angetrunken oder betrunken sein. Hier wurde das jiddische Wort shiker genutzt und mit deutschen Vor-und Nachsilben versehen. Bis heute ist es wohl einer der gebräuchlichsten Jiddismen unseres Wortschatzes. Interessanterweise
fanden die meisten Jiddismen ihren Zugang zur deutschen Sprache im 18. und 19. Jahrhundert. Ein weiteres prominentes Jiddismus-Beispiel wäre „Kaff“. Grundlage dafür ist das hebräische
Wort kafar, was soviel wie „Dorf “ bedeutet. Und auch heute benutzen wir „Kaff“, um auszudrücken, dass man es mit einem kleinen Ort zu tun hat, in dem nicht gerade viel los ist. Wenn wir heute umgangssprachlich auf das Wort „Ische“ zurückgreifen, ist auch das in der Bedeutung mit dem hebräischen Wort – Ischa für „Frau“ ebenfalls übereinstimmend.
(…)
Ähnlich verhält es sich auch mit der Redewendung „Du willst mich wohl verkohlen!“, wenn man kaum glauben kann, dass der andere die Wahrheit spricht. Auch wenn man bei „verkohlen“ vielleicht zuerst an einen Zusammenhang mit Feuer oder dem Gemüse Kohl denkt, ist dem nicht so.
Das hebräische „qôl“ und das davon abgeleitete jiddische „kol“ bedeutet nämlich soviel wie Gerücht. Besonders im Zusammenhang von finanziellen Schwierigkeiten reden wir oft vom „Pleitegeier“, der als Vogelwesen auch gern in Karikaturen auftaucht. Doch das hat alles wenig mit dem vermeintlichen
Aasfresser zu tun, es geht vielmehr auf die westjiddische Wendung „plajte gajen“ zurück, was soviel bedeutet wie fliehen. Demnach war ein plajte-gajer jemand, der auf die Flucht ging. Allein durch die Aussprache wurde der „gajer“ dann fälschlicherweise dem Vogel zugeordnet.

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke